Wo die SVP verliert, wo sie gewinnt – und was man daraus schliessen kann

Die SVP verlor bei dieser Nationalratswahl erstmals wieder ein Wahl. Was könnten die Gründe sein? Hier meine ersten Arbeitshypothesen.

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Beginnen wir mit dem Kanton Baselland. Da erreichte die SVP 2011 26.9 Prozent WählerInnen-Anteil. Das ist praktisch der gleiche Wert wie für die SVP Schweiz. Denn der ist neu bei 26.6 Prozent. Das ist nicht zufällig. Denn die Trends in diesem Kanton war in den letzten 12 Jahren ein zuverlässiger Indikator für die Entwicklung der Gesamtpartei.

Ueberblickt man alle Kantone, wird die Analyse diesmal komplizierter als auch schon. Denn es stehen neutralisieren sich Trends und Gegentrends.

Im Tessin, im Jura und im Wallis legte die SVP auch 2007 an WählerInnen-Stärke zu. Wachsen konnte sie diesmal auch in Obwalden. In Nidwalden machte sie einen grossen Sprung nach vorne, da sie 2007 nicht kandidierte. In den Kantonen Freiburg, Waadt, Luzern und Schaffhausen hielt die Partei. Teils herbe Verluste gab es für die SVP gab es in den übrigen Kantonen.

Was sind die Gründe für das Ueberwiegen des Rückgangs? Ich wage hier mal drei Arbeitshypothesen:

Erstens, gerade in den neuen Hochburgen wie Schwyz, Thurgau, Aargau, St. Gallen und Zürich entwickelte sich die Mobilisierungsfähigkeit der SVP zurück. Das löste insgesamt einen Rückgang von gut 1.5 Prozentpunkte aus.
Zweitens, markante Verluste kannte die SVP vor allem dort, wo die BDP aus der Abspaltung von der SVP entstanden ist. In Glarus kandidierte die SVP gar nicht mehr. In Graubünden erstand sie zwar neu auf, aber nicht mehr in der alten Grösse, und auch in Bern verlor sie, wenn auch etwas weniger krass. Zusammen bringt das gut 1 Prozent Verlust.
Drittens, eindeutig ist der Rückgang auch in Genf, wo sich rechts der SVP mit dem Mouvement Citoyen Genevois eine neue Bewegungspartei platzieren konnte. Der Effekt auf das nationale Ergebnis bleibt mit rund einem Promille eher unwichtig.

Geringer als von der SVP erwartet, fielen die Verschiebungen in der Innerschweiz und in der Romandie aus. Plus und Minus halten sich in etwa die Waage. Das hat seinen Grund: Die Attraktivität der SVP für Wechselwählende ist weitgehend rückläufig. Nur rund um aussichtsreiche Kandidaturen kann die Partei da noch hinzugewinnen.

Was davon war im Voraus absehbar? Ausser dem ersten Punkt war es. Denn die lokalen Konkurrenzsituationen mit neuen Parteien zeigten sich bereits in den kantonalen Wahlen. Zudem wurde in verschiedenen Wahlbarometer-Befragungen deutlich, dass die Wechsler-Attraktivität rückläufig war; Kleinparteien, die man hätte beerben können, gibt es nicht mehr, und enttäuschte FDP- und CVP, die hätten gewonnen werden können, sind kaum mehr zu finden.

Nicht wirklich vorhersehbar war der Einbruch in der Mobilisierung in den Hochburgen, denn der entsteht immer erst aus der Dynamik einer Kampagne selber. Diese funktionierte, wenn auch abgeschwächt, kantonal noch. Erstes, aber auch einziges Zeichen einer Wende waren die Zürcher Wahlen im Frühling, wo die Partei erstmals in einer der neuen Hochburgen eine Niederlage einfuhr.

Nicht alles, aber einiges spricht dafür, dass mit der Wahl 2011 der Wendepunkt national erreicht ist. Partei(ab)spaltungen sind immer ein Indiz dafür, dass die inneren Erfolgsfaktoren auslaufen. Denn wenn Teile der Parteieliten eigene Wege gehen, statt auf einer allgemeinen Erfolgswelle reiten, bricht das die Dynamik, die aus einer Partei selber herauswächst. Das hat die SVP selber unterschätzt, nicht zuletzt wegen der Erfolgen auf kantonaler Ebene in Bern, die aber nicht einfach wiederholbar sind.

Umgekehrt kann man sagen, dass eine verringerte Mobilisierung auf hohem Niveau auf eine Stagnation äusserer Erfolgsfaktoren verweist, etwa, dass die Grossereignisse in einer Kampagne nicht mehr dominant von der SVP gesetzt werden können. Der Punkt bleibt meines Erachtens weich. Denn da müssen sich nur wenige Parameter ändern, und die Entwicklung geht in die eine oder andere Richtung. Aus der Erfahrung heraus hängt diesbezüglich vieles vom Geschick eines überragenden Kommunikators ab.

Claude Longchamp