Als ob besonders junge Frauen nicht wählen wollten.

Zu den Resultaten, welche die Selects-Studie zu den Wahlen 2007 hervorgebracht hat, gehört, junge Frauen würden, ganz anders als junge Männer, vermehrt nicht wählen. Kurz vor der Wahl die vier Jahre alten Ergebnisse zu repetieren, kann trügerisch sein.

Zuerst: Die Wahlbeteiligung ist in der Schweiz ist im internationalen Vergleich tief. Wie sind halt Fans der Abstimmungsdemokratie und der Entscheidung aus Interesse, weniger der Wahldemokratie und der BürgerInnen-Pflicht.
Sodann: Die Wahlforschung zeigt seit vielen Jahren, die Beteiligung an Wahlen hängt stark vom Alter ab. Sie nimmt im Schnitt bis zum 70 Altersjahr zu, verringert sich dann aus gesundheitlichen Gründen. Bei den jüngsten Wahlberechtigten, den 18-29jährigen, klafft aus ganz anderem Grund eine grosse Beteiligungslücke: Eine Disposition, sich politisch regelmässig zu äussern, besteht nicht. Abstimmen aus Betroffenheit mag gehen, Parteipolitik ist einem eher fern.

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Die Selects-Nachbefragung 2007 legt zudem nahe, dass ein grosser Unterschied zwischen jungen Männern und jungen Frauen besteht. Mehrfach wurde darauf hingewiesen, das die Differenz wurde als Folge der Polarisierung gedeutet, die besonders Frauen von der Politik abhalten würde.

Eine Spezialauswertung der aktuellen Wahlbarometer-Daten hierzu zeigt, das dem nicht so ist. Zwischen den Beteiligungsabsichten von jungen Frauen und jungen Männern gibt es keinen Unterschied. Gut zwei Wochen vor der Wahl wollen rund ein Viertel der unter 30jährigen Frauen und Männer an der anstehenden Wahl teilnehmen. Tendenz steigend – oder anders gesagt: Der Wert bis zum Wahltag kann auch höher sein.

Die Wahlbarometer-Daten widerlegen die Annahme einer dauerhaften und gleichgerichteten, geschlechterspezifischen Diffferenz in den Beteiligungsabsichten. Vielmehr zeigen sie, dass das vorherrschende Thema die Teilnahmebereitschaften der jungen BürgerInnen geschlechtsspezifisch beeinflussen: Wenn über Masseneinanderung diskutiert wird, spricht das mehr die jungen Männer an. Wenn es um den Ausstieg aus der Kernenergie geht, bewegt das die jungen Frauen mehr. Seit keines der Themen mehr dominiert, haben die Beteiligungsbereitschaften unter den jungen BürgerInnen keinen geschlechtsspezifischen Charakter mehr.

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Deshalb lanciere ich eine Gegendarstellung: Generelle geschlechtsspezifische Stereotyp zur politischen Partizipation zu bemühen, ist nicht nötig. Politische Beteiligung der jungen Menschen ist situativ, und hängt vom vorherrschenden Thema an. Das man mehr machen sollte, um die nachfolgenden Generationen in die Politik einzubeziehen, ist ganz allgemein gut. Es ist allerdings nicht nur ein Probleme der ganz jungen BürgerInnen!

Claude Longchamp