Wo die Fraktionen im Nationalrat stehen.

In den 90er Jahren gab es ein Debatte über die Perspektiven des Parteiensystem in der Schweiz. Die Polarisierung zu Zeiten des Kalten Krieges hatte sich aufgelöst: bürgerlich vs. links war kein probates Klassifikationsschema mehr. Dafür sprach man von der Tripolarisierung des Parteienlandschaft.

In den 80er Jahren waren die Grünen entstanden, samit der Auto- und Freiheitspartei als Antipoden, und es formierte sich nach 1992 die SVP neu, zu Lasten von FDP und CVP sowie auf Kosten rechter Kleinparteien. Von der Tri-Polarität des Parteiensystems war lange die Rede. Gemeint war damit, dass sich ein nationalkonservativer Pol, ein Zentrumslager und ein rotgrüner Pol herausbilden würde.

Gestern habe ich die politische Landkarte des Nationalrates 2007 bis 2011 im Berner “Bund” gesehen. MIchael Hermann, der Zeichner, hat sie mir zur Verfügung gestellt. Sie hat mich schlagartig an die These der Tripolarisierung erinnert.

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Zunächst: SP und GPS, verstärkt durch CSP und PdA bilden im Nationalrat recht geschlossen das linke Lager. Die beiden hauptäschlichen Partei gruppieren die ihre Volksvertreter nahe um ihr jeweiliges Zentrum. Das ist links und untereinander kaum unterscheidbar. Wirtschafts- und gesellschaftspolitisch sind die Grünen minimal konservativ, die SP ein Müh über dem Strich liberal.

Misst man politische Positionen aufgrund des Abstimmungsverhaltens, bildet die SVP der Gegenpol. Auch diese Fraktion ist in sich weitgehend geschlossen. Mehr oder weniger rechts-konservativ sind sie alle. Auch die zugewandten Parlamentarier der EDU und der Lega.

Die Grafik suggeriert, dass es einen dritten Pol gibt, bestehend aus FDP.DieLiberalen, aus CVP, BDP, GLP und EVP. Denn ihre NationalrätInnen neigen fast alle zu liberalen Positionen, bisweilen leicht rechts der Mitte wie bei der FDP und BDP, resp. links davon wie bei GLP und EVP. Die Geschlossenheiten sind hier geringer als an den äusseren Polen. Besser noch steht die FDP da, schlechter die BDP und stark aufgerissen die CVP. Zwischen dem Gewerkschafter Meinrado Robbiani aus dem Tessin, und dem Gewerbler Arthur Löpfe ist mehr Platz als zwischen allen Parteiexponenten der anderen politischen Parlamentsgruppen.

Das alles spricht für einen sachpolitisch dritten Pol, wie er 2010 in den Gesprächen zur Allianz der Mitte vorübergehend zum Ausruck kam. In verschiedenen Kantonen funktioniert das auch, wie nicht zuletzt die Listenverbindungen zum Ausdruck bringen. Doch auf nationaler Ebene herrscht die Abgrenzung vor: Die Spitzen von FDP und CVP verstehen sich nicht, markieren den eigenen Auftritt, und gifteln in Interviews gegeneinander.

Das geht es nicht um die Sache, aber um die Macht. Beide Parteien beanspruchen zwischen den Polen den Lead zu haben. Die FDP hat dafür mit der LP fusioniert, die CVP kooperiert auf Fraktionsbasis mit GLP und EVP, und mit der BDP gibt es im Bundesrat Uebereinstimmungen. Die Nähe hat zur Folge, dass man meist ähnlich stimmt, sich partei- und wahlpolitisch aber abgrenzt.

Wegen solchen Prestigeüberlegungen stimmt das Seznario, das man vor 15 Jahren diskutierte, nicht. Mehr oder weniger erwartungsgemäss haben sich die Pole entwickelt, während die Parteien und Fraktionen der Mitte gegen den gegenteiligen Weg gegangen sind.

Claude Longchamp