ErstwählerInnen: ein Tabu im Wahlkampf 2011?

Die Jungen spielen im Wahlkampf 2011 fast keine Rolle. Das ist schade! Denn wer nicht angesprochen wird, beteiligt sich auch nicht: zu seinem Schaden, und zum Nachteil für die Demokratie.

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Linda Fäh, Miss Schweiz, und Cédric Wermuth, enfant terrible der Juso, 2011: Jugend und Politik lässt sich nicht einfach auf Schräg&Schön reduzieren (Quelle).

Die ErstwählerInnen müssen in Kampagnen speziell angesprochen werden. Mit geeigneten Themen, mit speziellen Personen und mit Medienkanälen, die ihnen affin sind.

Letzteres geschieht 2011 noch einigermassen: Die neuen sozialen Medien wie facebook sind ein vorrangiges Thema, und da geht es meist auch um junge WählerInnen. Wenn es um jugendlich PolitikerInnen geht, happert es schon mehr. Die “Jung-TürkInnen” in den Parteien waren mal der Rede wert – wegen den SesselkleberInnen in den Parteien. Ansonsten bekommt man den Eindruck, je später der Abend wird, desto eher beschränkt sich das Medieninteresse auf schräge Vögel und hübscher Frauen. Doch sind Linda Fäh und Céderic Wermuth kein Abbild der JungbürgerInnen vor heute.

Ganz schlimm sieht es bei den Jugend-spezifischen Themen aus: Dabei läge alles auf dem Tisch: Das Jugendbarometer 2011 nannte Ausländerintegration, Eintritt ins Erwerbsleben, Sicherheit der Altersvorsorge, Schutz vor Umweltkatastrophen, Kernenergiefragen, Rassismus und Sexismus im Alltag als vorrangige Themen der jungen Menschen, wenn es um Politik geht.

Bei einige Nachteilen, welche die Wahlkämpfe der letzten Jahren hatten: Dank der Polarisierung interessierte man sich vermehrt für die politischen Anliegen jenseits des Mainstreams. Das nützte der Jugend 1999, 2003 und 2007. Gerade die Polparteien setzten auf die Mobilisierung von ErstwählerInnen, und punkteten damit. So wurden SVP und SP zu den Parteien, die bei den ganz Jungen am besten ankommen.

Eine Auswertung der letzten drei letzten Wahlbarometer-Befragungen lässt folgenden Schluss zu: Das ist heute nicht wesentlich anders, aber auf einem deutlich tieferen Beteiligungsniveau. Die SVP kommt bei den den Wählenden zwischen 18 und 21 Jahren auf 27 Prozent, die SP 24, die CVP auf 17 und die GPS auf 9 von Hundert. Der Rest ist fast schon Makulatur.

Erschütternd ist aber, dass gerade mal 17 Prozent der denkbaren ErwählerInnen ihr Wahlzettel abgeben wollen, während 83 Prozent sagen, das gehe sie nichts an und interessiere nicht. Da braucht es nochmals kräftig Gegensteuer – ohne Wehklagen und ohne Wahlzwang.

Denn Politik in der Demokratie setzt auf Mündigkeit. Die schliesst Freiwilligkeit seitens der BürgerInnen mit ein, und sie lässt politische Werbung seitens der Parteien zu. Letztere haben noch 6 Wochen Zeit, ihren Willen zur Erneuerung der Wählerschaft zu beweisen, und auch die Medien können noch mehr als einen Monat aufzeigen, was die BürgerInnen von morgen wollen, und wer sie dabei anspricht.

Zum Nutzen des politischen Nachwuchses und der Zukunft der Demokratie.

Claude Longchamp