Wahlbarometer: Zustimmung zu BundesrätInnen mehrheitlich – Kritik vor allem parteipolitisch motiviert

Im Rahmen des neuesten Wahlbarometers, das heute erschienen ist, haben die Wiederwahlempfehlung (unmittelbar vor dem angekündigten Rücktritt von Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey) untersucht. Die ausführlichen Befragungsergebnisse können hier nachgeschlagen werden. Mein Kommentar dazu lautet.

Eines vorneweg: Wir haben nicht die Frage gestellt, wen man selber wählen würde. Denn das setzte voraus, dass es eine Volkswahl des Bundesrates geben würde. Vielmehr haben wir uns danach erkundigt, über welche der bisherigen Bundesratsmitglieder man die Meinung habe, sie sollten am 14. Dezember 2011 wiedergewählt werden oder nicht.

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Die Wahlberechtigten setzen dabei sehr wohl Akzente. Gegenüber allen sieben Mitgliedern vertritt eine Mehrheit die Meinung, sie sollte nochmals gewählt werden. Am klarsten kommt das bei Doris Leuthard zu Ausdruck. 75 Prozent der Wahlberechtigten empfehlen die CVP-Magistratin zur Wiederwahl. Bei Simonetta Sommaruga (SP) sind das 70 Prozent. Didier Burkhalter (FDP) bringt es auf 69 Prozent. Ihnen ist gemeinsam, dass sich nur rund jede achte Personen eine Nicht-Wiederwahl wünscht. Etwas gespaltener sind die Positionen gegenüber Eveline Widmer-Schlumpf (BDP), Ueli Maurer (SVP) und Johann Schneider-Ammann (FDP). Zwischen 65 und 56 Prozent sähen sie gerne weiterhin im Bundesrat, während gut ein Fünftel das Gegenteil vertritt.

Am polarisiertesten sind die Meinungen, wenn es um Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey (SP) geht. Hier wünschen sich 51 die Wahl für eine weitere Amtsperiode, während 35 Prozent das ausdrücklich ablehnen. Stellt man auf die Unschlüssigen ab, kennt Bundesrat Schneider-Ammann den grössten Anteil, indes nicht, weil man ihn nicht kennen würde, sondern weil man sich in der Entscheidung noch nicht sicher ist.

Hinter der Bewertung verstecken sich vor allem partei- und regionalpolitische Präferenzen. Die Gegnerschaft von Calmy-Rey kommt aus dem entgegengesetzten politischen Lager. Nur ein Drittel der SVP-Wählenden möchte sie im Amt behalten. Polarisierend wirkt sie auch bei den parteipolitischen Ungebundenen. Sie empfehlen die Bundespräsidentin zu 46 Prozent für eine weitere Bundesratszeit. Bei Bundesrat Schneider-Ammann geht die Opposition nicht so tief; dafür ist sie breiter. Nur Minderheiten von SP, GPS und GLP möchten, dass er in seinem Amt bestätigt wird. Bei Ueli Maurer reduziert sich das auf die SP- und GPS-Wählenden. Ein beschränktes Problem hat schliesslich Eveline Widmer-Schlumpf. Das Misstrauen ihr gegenüber kommt aus ihrer ehemaligen Partei. Immerhin genau die Hälfte der heutigen SVP-Wählenden würde sie zur Wiederwahl empfehlen.

Hinsichtlich der Sprachregionen haben die Bundesräte Maurer und Schneider-Ammann ein Problem. In der Romandie findet sich keine Mehrheit, welche die beiden weiter empfehlen würde. Bei Bundespräsidentin Calmy-Rey gilt schliesslich, dass sie in allen Regionen umstritten ist. Mit 55 Prozent wird sie am ehesten noch in der italienischsprachigen Schweiz unterstützt.
So bleibt, dass die BürgerInnen gegenüber Abwahlen von BundesrätInnen skeptisch sind. Klare Hinweise auf dringend erwartete Veränderungen gibt es nicht. Immerhin mischen sich aber mehr oder minder klare Zwischentöne in die Beurteilungen, die in erster Linie parteipolitisch motiviert sind.

Claude Longchamp