Der Wahlkampf 2011 entwickelt sich unüblich lang, ist thematischer denn je, weniger kontrovers als auch schon und aufgeteilt in eigentliche Abschnitte. Mit dem Rücktritt von Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey tritt er voraussichtlich in seine vierte Phase.
Lange galt: Die letzten kantonalen Wahlen, insbesondere in Zürich, dem bevölkerungsreichsten Kanton, legt den Tenor für den Wahlherbst fest. Was dann kommt, ist reine Wiederholung.
Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Denn die heutigen Wahlkämpfe sind nationalisiert, ja globalisiert. Das zeigt sich am deutlichsten an der Mobilisierungskraft, die zugenommen hat und weit über der von kantonalen Wahlgängen liegt.
Was heisst das als Rück- und Ausblick auf den Wahlkampf 2011?
Die Swissness-Phase: Die erste Phase im Wahlkampf zu den Parlamentswahlen 2011 wurde noch im Herbst 2010 eröffnet. Lanciert hat sie die SVP mit ihrer Kampagnenankündigung. Das wurde zum spätestens mit der Annahme der Ausschaffungsinitiative für kriminelle AusländerInnen in der Volksasbtimmung vom 28. November 2011 zum Ernstfall. Kreiiert wurde so ein politisches Klima, das traditionelle Werte begünstigte resp. die Unterschiede zwischen Einheimischen und Fremden betonte. Namentlich nationalistische Untertöne polarisierten. Davon profitiert hat die Rechte, insbesondere die SVP, die selbst über eine absolute Mehrheit für sich spekulierte. Der Druck der Oeffentlichen Meinung färbt ab, nicht nur auf die WählerInnen, auch auf FDP und CVP, welche den Swissness-Bezug in ihrem Wahlkampfauftritt mehr den je betonten.
Die Fukushima-Phase: Der Reaktorunfall im japanischen Fukushima eröffnete die zweite Phase im diesjährigen Wahlkampf. Die Themen-Szenerie verlagerte sich fast schlagartig, nicht zuletzt, weil die ersten Wahlen in diesem Umfeld grüne ParteiexponentInnen begünstigten. Schnell reagierten die BDP und ihre Bundesrätin, was die CVP unter Druck setzte. Sie nützte die Gunst der Stunde, und verhalf dem geordneten, mittelfristigen Ausstieg aus der Atomenergie zur Mehrheit in der Bundesregierung. Schwer tat sich dagegen die FDP mit einer Neupositionierung, die schliesslich in eine fast schon symbolische Stimmenthaltung im entscheidenden Moment mündete. Am wenigsten traf es die SVP, ausser dass sie die Lufthoheit über den Wahlkampf verlor.
Die Harter-Franken-Phase: Die dritte Wahlkampfphase setzte im themenarmen Sommerloch mit der Debatte über den hohen Frankenkurs und die Folgen für die Schweizer Wirtschaft ein. Lanciert wurde sie durch die Interventionen der Nationalbank, begleitet durch die Entscheidungen des Bundesrates in Sachen Hilfspaket. Die erneute Themenverlagerung bewirkte eine Sammlung zugunsten schweizerischer Wirtschaftsinteressen. Die SVP musste ihre Angriffe auf den Nationalbankppräsidenten einstellen, gefordert waren im Bundesrat namentlich der Wirtschaftsminister und die Finanzministerin. Die FDP rückte ins Zentrum des Interesses und mit ihr ihr Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Namentlich das Hilfspaket wurde für den liberalen Pol der Schweiz zur Belastungsprobe, was die SP ausnützte, sei es bei der Anbindung des Frankenkurses an den Euro, bei der Senkung der KonsumentInnenpreise oder bei der Sicherung der Arbeitsplätze. Nicht übersehen darf man, dass die Wechselkursdebatte vor allem in den Medien stattfindet. In der Bevölkerung der deutschen Schweiz geht es um Migrationsfragen, in der Romandie um die Probleme mit dem Gesundheitswesen.
Die Bundesratswahl-Phase: Ob wir aktuell noch in dieser Phase oder schon in der nächsten sind, lasse ich hier noch offen. Immerhin, der angekündigte Rücktritt von Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey auf Ende Jahr hat die Ausgangslage für die Wahlen verändert. Offiziell wollte man erst nach dem 23. Oktober darüber sprechen, jetzt ist der Schutzwall gebrochen. Die SVP und die GPS haben ihre Interessen bereits angemeldet. Sie zielen auf alle, die übervertreten sind oder speziell auf den zweiten FDP-Sitz. Die SP hat den ersten Schritt früher als erwartet gemacht. Sie risikiert damit, dass ihr die SVP ihren zweiten Sitz im Bundesrat strittig macht. Das würde nicht nur die Debatte animieren, es würde die Polarisierung und damit die Mobilisierung der WählerInnen an den Polen befördern. Im Kanton Bern hat man diesen Frühling bei den Ständeratswahlen gesehen, wie schnell so was gehen kann. Ein Blick in die Zeitungen von heute bestätigt jedenfalls: Die Medien haben das Thema gefunden, auf das sie in diesem Wahlkampf schon länger gewartet haben.
Claude Longchamp
Mir ist egal, welche Partei einen Bundesratssitz der BDP abgibt, solange die SVP 2 Bundesräte hat.
Da vertreten Sie aber ganz streng die offiziöse SVP-Linie, wie sie heute von Prof. Dr. Christoph Mörgeli ins Spiel gebracht worden ist.
Für eine saubere Auslegeordnung empfehle ich eher
http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/schweiz/die_karten_werden_neu_gemischt_1.12386089.html
Die BDP ist doch nun öffentlich von der SVP abgenabelt, auch wenn ein paar Mehrbesserwisser immer noch behaupten Frau Widmer sei für die SVP in den BR gewählt worden. Für die SVP wohl, aber gegen deren Willen und zwar von der SP und CVP, das wissen wir alle, nur einige wollen es nicht wahrhaben oder besser ausgedrückt spielen sie es als Trumpf auf.
Warum sollte die BDP einen Anspuch auf einen BR-Sitz haben? Eine Kleinstpartei die ihre Fahne gerade in die Richtung hält von der der Wind gerade kommt. AKW-Ausstieg nein, aber dann doch wohl, doch ein ja um sich bei den Linken einzuschleimen. Wie ist bloss deren Meinung nach den NR-Wahlen? Und vor allem, wo ist deren politische Aussage? Und braucht es denn deren politischen Aussage? Mit welcher Fahne sie auch mitschwingen, die Themen denen sie sich anpassen sind bereits schon von anderen Parteien aufgegriffen worden und auch besetzt. Also, warum braucht es in dieser Parteienvielfalt auch noch eine BDP?
Wenn sie schon mitschiffen, so sollen sie sich gefälligst in die ihr nahestehenden Partei einordnen. Gäbe der ausgewählten Partei auch ein paar mehr Stimmen.
Aber dennoch interessant, jedes BDP-Mitglied war Mitglied der SVP, sie trugen deren Gedankengut, trugen deren Entscheide mit. Keiner hat aufgemuckst und plötzlich beim Parteiausschluss von Widmer, bei der Neugründung einer Partei, hauchen sie in die linke Ecke.
Da soll einer die Politiker noch ernst nehmen!
Will man aber die arithmetische Konkordanz ums Verrecken brechen, dann sollte man den Grünen den Vorrang geben.
Wobei, die SP betreibt die gleichen Anliegen wie diejenigen der Grünen.
Übrigens, und das weiss vermutlich keiner, waren die Schweizer Demokraten die erste grüne Partei.
Weiter in meinem Gedankengut: Die Grünen brauchts nicht, deren Belange verfolgt die SP. Die GLP, meine Lieblingspartei ist auch nicht nötig, beinhalten sie doch Belange der SVP, FDP und der Grünen.
Entweder halten wir am Altbewährten mit den 4 Parteien fest, oder wir teilen auf. Dann bräuchte es aber nur noch die GLP und die SP. Aber wenn wir schon splittern, so darf doch sicher unser Zürcher Hanf-Ueli BR werden. Die SP-alt-68ziger würden es sicher begrüssen.
War nun Spass, aber wenn man die Politik ernst nimmt, ist man eh bereits verloren.
Warum sollte Frau Widmer zurücktreten müssen, nur weil sie die SVP rausgeschmissen hat?
Das Interesse sollte sein, dass Bundesräte einen guten Job machen, und zwar das, was das Parlament beschliesst.
Warum sollte die SVP einen ioder zwei Bundesräte haben, wenn die nichts können ausser provozieren (Blocher) oder lamentieren (Maurer). Von den vorhergehenden wil ich schon gar nichts sagen.
Frau Calmy konnte wenigstens noch singen … 🙂
Tja, da kommen mir die Tränen, wenn Frau Calmy “Wenn die Glocken hell erklingen” singt.
Aber sag @ Rehcolb, Du bist scheinbar nicht für die Konkordanz, wie also würdest Du denn den neuen Bundesrat zusammensetzen wollen?
Freisinnige, Bauernpartei. CVP und SP oder umgekehrt. SP glaub 1940, CVP weiss ich nicht. Mehr Parteien gab es dazumals nicht und anhand der Parteistimmen kam es zur Einigung dieser Konkordanz.
Die scheint heute überholt zu sein, wenn man bedenkt, dass immer mehr Parteien mitspielen wollen.
Also denke ich, dass die Grünen die “hoffentlich” bei diesen Wahlen die 10%-Grenze sprengen, mehr Anspruch auf einen BR-Sitz haben, als eine BDP mit ca. 3,5%. Und, auch wenn Frau Widmer noch so gute Arbeit leistet (wie war das noch bzgl. der Asylanfragen von denen sie scheinbar nichts gewusst hatte?), würde der Anspruch auf einen BR-Sitz prozentual den Grünen zustehen.
Wie also sollte die Zusammenstellung des BR aussehen?
hi Ate
das mit den irakischen Asylanträgen zuerst: Das Beiseitelegen der Anträge war sachlich richtig (Lob an Blocher), hingegen hätte er es ruhig kommunizieren können.
Was hinterhältig war, dass er zu diesem zeitpunkt mit Einsparungen und massiv weniger Asylanträgen geblufft hat …, das war sogar schweinisch.
Mir ist die mathematisch Konkordanz keine wichtige Sache, es sollten jedoch alle Parteien über 10% vertreten sein.
Wichtig wäre, dass der Nationalrat ein Strategie für die Zukunft absegnet, und nur Bundesräte, die dieser auch nachleben wollen, dürfen sich zur Wahl stellen.