Ein neues Modell für die Analyse von Ständeratswahlen

Einmal mehr, Peter Moser, der Leiter des Statistischen Amtes des Kanton Zürich, erweist sich als der kreativste amtliche Statistiker der Schweiz. Nach zahlreichen Innovationen zur Typisierung von Gemeinden, Analysen von Regierungsratswahlen und ähnlichem legt er nun eine Analysemodell für Ständeratswahlen vor.

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Moser weiss, wo von er spricht. Im Arbeitspapier auf Internet charakterisiert er seinen Versuch, Ergebnisse von Ständeratswahlen abzuschätzen wie folgt: “Die folgenden Szenarien für das Resultat beruhen auf Erfahrungswerten aus vergangenen Majorzwahlen und den Eckpunkten der diesjährigen Ausgangslage, soweit derzeit bekannt. Gebündelt werden diese Informationen einem einfachen, den freien Flug der Fantasie etwas disziplinierenden mathematischen Modell. Es zeigt sich, unter welchen Voraussetzungen welches Resultat in den Ständeratswahlen zu erwarten ist.”

Und das sind die drei idealisierten Ausgänge für die Zürcher Ständeratswahlen:

Szenario 1 “Jede Partei ist sich selber am nächsten”:
Niemand schafft im ersten Wahlgang das absolute Mehr, Blocher (SVP) liegt an der Spitze, gefolgt von Hardegger (SP), weil ihre Parteien die wählerInnen-stärksten sind. Das spüren vor allem die beiden Bisherigen, Diener (glp) und Gutzwiller (FDP), welche die Plätze 3 und 4 belegen.. Der zweite Wahlgang entscheidet über alles.

Szenario 2 “Bürgerlicher Schulterschluss”:
Die Kandidaten von SVP und FDP liegen an der Spitze, verfehlen das absolute aber ebenfalls. Alle anderen liegen zurück, insbesondere die Bisherige Diener. Erneut entscheidet der zweite Wahlgang über alles.

Szenario 3 “Business as usual”:
Die beiden Bisherigen schwingen oben aus. Bei schaffen knapp das absolute Mehr und sind wieder gewählt. SVP und SP scheitern trotz Hausmacht. Ein zweiter Wahlgang ist nicht mehr nötig.

Natürlich: Jedes Szenario basiert auf Annahmen, die auch anders getroffen werden können. Wie in allen Modellrechnungen basiert das Ergebnis auf der Parameterwahl.

An Mosers Vorschlag überzeugt mich folgendes:

Erstens, er ersetzt die impliziten Annahmen durch expliziete Annahmen. Intuition ist gut, könnte man sagen, Reflexion ist besser.
Zweitens, seine Modelle orientieren sich an durchaus plausiblen Hypothesen: dem Bisherigen Bonus, der politischen Allianzbildung und dem Parteienkalkül, formalisiert sie aber.
Drittens, macht der Statistiker das, was er am besten kann: Rechnen!

Wahrscheinlich, könnte man sagen, ist man damit noch nicht am Ende der Analysen. Aber weiter, als die üblichen Einschätzungen der Politikstrategen und Medienschaffenden, die nicht selten von Absichten, Hoffnungen und Taktiken geleitet sind!

Ein Prognose des Wahlausgangs hat man deshalb noch nicht. Aber vernünftigen Annahmen was geschieht. Die Szenarien können nämlich als Idealtyp für die Analyse dienen, was die Politik und die Medien tun. Zum Beispiel die NZZ, welche die Wahl von Gutzwiller und Blocher empfiehlt. Oder die FDP, die davon nichts will, und alleine in den Wahlkampf zieht. Mehr noch, wenn das Ergebnis einmal vorliegt, wird man es mit den drei Folien, die hier entwickelt wurden, schnell einschätzen können – auch hinsichtlich der Wirkungskräfte, die dazu geführt haben.

Schon mal ein ganz grosses Merci, Peter Moser. Der Kommentator am Wahltag windet ihnen jetzt schon ein Kränzchen. Und wünscht sich Nachahmer unter den Statistikern der anderen Kanton – oder findige Studierende, die das Zürcher Modell auf die Ständeratswahlen in den anderen Kantonen adaptieren.

Claude Longchamp