Was für und was gegen einen allgemeinen Fukushima-Effekt spricht

Nach dem Reaktorunfall in Fukushima war gerade auch in der Schweiz viel von einem entsprechenden Effekt die Rede. Vier Monate nach dem Ereignis, aber auch vier Monat vor den eidgenössischen Wahlen lohnt es sich, hierzu Bilanz zu ziehen.

Wahlbarometer vom 01.07.2011

Heute erscheint das 4. Wahlbarometer. Es hält Gewinne für die GLP und BDP sowie Verluste für die FDP fest. Seit Fukushima gibt es namentlich bei der SVP eine Trendumkehr. Sie entwickelte sich von einer möglichen Sieger- zu einer denkbaren Verliererpartei. SP und CVP konnten zwar etwas zulegen, aber die Verluste seit den letzten Wahlen nicht wirklich ausgleichen. Die GPS-Grünen erscheinen stabil.

In dreierlei Hinsicht kann man von einem Fukushima-Effekt sprechen: Zuerst der Schock, dann die mediale und schliesslich die politische Reaktion. Aus der Sicht der politischen Kommunikation war der Reaktorunfall ein Ereignis – sprich: eine verdichte Handlungsabfolge, erheblich medialisiert, die zu einer Konsequenzerwartung führte. Das hat dem Thema hohe Medienaufmerksamkeit gebracht und es hat die politische Weichenstellung beeinflusst. Die (Kern-)Energiepolitik der Schweiz ist heute nicht mehr die gleiche wie noch vor einem halben Jahr.

Die mediale und politische Aufmerksamkeit haben auf den Wahlkampf ausgestrahlt, ihn jedoch nicht einfach umgestülpt. Zu nennen ist, dass die Migrationsfrage, die das politische Klima der letzten Jahre prägte und seit der angenommenen Ausschaffungsinitiative dominierte, abgelöst worden ist. Bevölkerungsseitig ist die Umwelt- und Energiefrage von der sechsten auf die erste Stelle gerückt und sie ist im aktuellen Wahlbarometer dort geblieben.

Die Wahlabsichten wurden dadurch aber nicht fundamental verändert. Am ehesten noch lassen sich Effekte auf die Mobilisierung nachweisen. Links bis in die Mitte ist sie etwas stärker geworden, rechts etwas schwächer. Zuerst hat es der FDP geschadet, dann hat es sich aber auch auf die SVP ausgewirkt. Beide Parteien mobilisieren heute schlechter als noch vor vier Monaten, als sie von der nationalkonservativen Grundstimmung profitierten.

Eine parteipolitische Nutzniesserin kann man nicht wirklich eruieren. Die GLP und die BDP legten vor allem vorher zu, die positiven Auswirkungen auf die SP und CVP werden durch anhaltende Wechslerverluste an die GPS respektive an die GLP und BDP neutralisiert.

Das alles relativiert den Fukushima-Effekt auf die Schweizer Wahlen. Allzu überraschend ist es nicht, denn die wichtigste Entscheidung trifft der Bundesrat und der hat nur bedingt ein parteipolitisches Profil. Die Bürgerinnen und Bürger wiederum wählen bei Wahlen Parteien und Personen – Sachfragen entscheiden sie via Sachabstimmungen. Machtfragen, wie sie in Baden-Württemberg mit Blick auf einen Wechsel in Berlin gestellt wurden, stellen sich in einem Konkordanzsystem nicht im vergleichbaren Masse.