Rechenspiele für den Bundesrat

Der Wahlkampf geht in eine neue Phase: das Personenkarusell beginnt sich zu drehen.

Eine Ispoublic-Umfrage, veröffentlicht durch die Sonntagszeitung, gab die Plattform für die erste ernsthafte Personendiskussion zur Bundesratszusammensetzung ab. Anlass für die Sondage war, ob die 4:3 Mehrheit im Bundesrat für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie hält oder nicht. Bedingung dafür scheint, dass Eveline Widmer-Schlumpf im Bundesrat bleibt und SVP/FDP zusammen nicht auf vier Sitze kommen.

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Die Umfrage hilft zunächst Frau Widmer. Die Bündnerin im Finanzdepartement macht aus Bevölkerungssicht ihre Sache gut. Im Wahlgremium, der Bundesversammlung, ortet die Sonntagspresse zudem Aufhellungen, nachdem der Departementsweschel nicht goutiert wurde. Zwischenzeitlich hat sich die BDP-Politikerin bei SPS, CVP, GPS, GLP und EVP mit ihrer Zustimmung zur neuen Kernenergiepolitik der Schweiz für den Wahltag empfohlen.

Bleibt EWS, stellt sich die Frage, zu wessen Lasten das geschieht. Momentan deutet einiges darauf hin, dass es die FDP treffen könnte. Das kann man auch aus der Umfrage ableiten: Verlierer der letzten 3 Monate ist Neuling Johann Schneider-Ammann. Medial ist sein Antritt missglückt; vorgeworfen wird ihm zudem, nicht Dossier-sicher zu sein und keinen Mut zu Entscheidungen zu haben. Im Umfragerating sank er um 6 Prozentpunkte. Immerhin, eine Mehrheit findet, der FDP-Bundesrat solle “in Zukunft eine wichtige Rolle” spielen.

Denkbar ist, dass es auch eine Vertretung der Polparteien trifft. Denn sowohl Calmy-Rey wie auch Maurer sind von der Wahlbevölkerung nicht mehr Mehrheit getragen, und im Parlament gibt es Widerstände.

Die Genfer Sozialdemokratin ist offensichtlich über ihrem Zenit. Von ihr erwartet man, dass sie als nächste zurücktritt – noch vor der Legislatur, am ihrem Ende oder dann zu Beginn der nächsten. Taktik wird den Moment bestimmen, – und zwar so, dass ihre Partei möglichst keinen Schaden nimmt.

Beim Zürcher Konservativen ist die Frage grundsätzlicher. Der erfolgsverwöhnte Parteipräsident früherer Jahre ist als VBS-Chef rasch aufgelaufen. Er vertritt die SVP im Bundesrat, damit sie nicht in der Opposition ist. Er ist aber keine Garantie, dass die Partei gemäss WählerInnen-Stärke im der Landesregierung mitbestimmen kann.

So kann man sich für den Wahlherbst und -winter die folgenden Szenarien ausmalen:

Szenario 1: Wenn Calmy-Rey vor den Wahlen zurücktreten sollte, schafft die SP, ihren Sitz zu wahren, oder die Konkordanz ist definitiv zu Ende.

Szenario 2: Wenn die FDP die eigentliche Wahlverliererin wäre, geht das zu Lasten eines FDP-Sitzes, wobei der Langenthaler Ex-Unternehmer gefährdeter erscheint. Für die FDP wäre diese eine erhebliche Belastnung, für die Konkordanz eher eine Anpassung an veränderte Umstände.

Szenario 3: Wenn Mitte/Links insgsamt zulegen sollte, könnte sich der Sukkurs für Widmer-Schlumpf wiederholen, ihre Wahl als BDP-Bundesrätin wäre dann aussichtsreich. Ohne massive Gewinne für ihre Partei bliebe aber der Mackel, dass die Wiederwahl eher personen- oder themenorientiert wäre, nicht aber ein neues System begründen würde.

Szenario 4: Wenn die SVP auf die Erfüllung ihres Anspruchs, mit zwei Bundesräten in der Bundesexekutive vertreten zu sein, weiter verzichten müsste, wäre der erneute Austritt seiner Partei aus dem Bundesrat denkbar. Auch das wäre das Ende der Konkordanz.

Claude Longchamp