Bedrohliche Bedrohung

Meine Kollegen vom gfs-Zürich erheben seit Jahren zahlreiche Indikatoren zur empfundenen Bedrohungslage. Einmal pro Jahr wird daraus das “Angstbarometer” erstellt. Nun hat das Kriminologische Institut der Uni Zürich einen Indikator herausgepickt und einen Vertiefungsbericht zur subjektiven Bedrohung durch Kriminalität in der Schweiz gemacht.

bedrohung
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Ergebnis Nr. 1: Die Bedrohung durch das Thema “Kriminalität” ist mittelstark. 2009 erreichte sie einen vorläufigen Höhepunkt; 2010 hat das bereits wieder etwas abgenommen.
Ergebnis Nr. 2: Am bedrohtesten fühlen sich tiefe Bildungsschichten. Da ist der Trend ungebrochen. Es nehmen die spezifischen Aengste in dieser Gruppe unverändert zu.
Ergebnis Nr. 3: Zur Erklärung der Bedrohungslage kann man verschiedene Ansätze beiziehen. Am meisten ableiten kann man aus der politischen Position (rechts mehr als links), der Sprachregion (welsch mehr als deutsch), der Bildung (tief mehr als hoch) und dem Geschlecht (Frauen mehr als Männer).

In der medialen Vermittlung ist einiges davon verkürzt herausgekommen, und so bin ich fast reingefallen. Das Referierte ist weder das vertiefte Ergebnis zum Angstbarometer. Noch sind es neue Daten. Vielmehr handelt es sich um den Indikator zum Bedrohungsempfinden einzig durch Kriminalität im Mittel der Jahre 2008 und 2010, der in der Uebersicht ausgewertet worden ist.

Nach der Lektüre des Berichtes der Kriminologin Simone Walser sind mir drei Sachen hängen geblieben:

Erstens, wie das Bedrohungsempfinden der unteren Bildungsschichten entwickelte sich auch das der politischen Mitte entgegen dem allgemeinen Trend auch im Jahre 2010 weiter in den roten Bereich.
Zweitens, Bedrohungsempfinden und Bedrohungslagen sind nicht zwingend identisch. Vermittelnd wirkt die Vulnerabilität, das heisst die Selbstwahrnehmung verletzbar zu sein. Dies hat tatsächlich mit dem Selbstbewusstsein zu tun, das gesellschaftlich unterschiedlich verbreitet vorkommt.
Drittens, anders als vor allem in den USA fühlen sich die StädterInnen in der Schweiz nicht mehr bedroht als die Landleute. Bei diesen schwingt in der Schweiz wohl auch das fleissig gepflegte Bild des Ausländers mit, den man in ganz bedrohlichem Masse als bedrohlich sieht.

Claude Longchamp