Die Wahlen in Luzern sind ausgezählt – ein guter Moment, Wahlumfragen und Wahlbörsen vor der Wahl im Vergleich zu evaluieren.
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Gemäss Statistischem Amt des Kantons Luzern gewinnt die GLP (5,9%/+5,9 Prozentpunkte) bei den Parlamentswahlen am meisten, gefolgt von der SVP (22,3%/+3,2%), der BDP (1,7%/+1,7%), der GP (8,7%/+1,4%) und der SP (11,0%/+0,3%). Verliererin sind die CVP (31,3/-6,0%) und die FDP (18,9/-4,2%).
Die Wahlbefragung der Neuen Luzerner Zeitung kam der Sache beschränkt nahe. Falsch ist kein Trend. Verkannt wurde aber der Gewinn der SVP, die gemäss Umfrage wäre sie stabil geblieben. Verschätzt hat man sich auch bei der FDP, die mehr als erwartet verlor, bei der SP, die wenig gewann, und bei der GLP die mehr gewann.
Es kann gut sein, dass letzteres einen inneren Zusammenhang hat: Nachdem die GLP in Basellschaft und Zürich zulegte und zum vorrangigen Medienthema wurde, könnten potenzielle FDP- und SP-WählerInnen geschwenkt sein. Bei der SVP dürfte eine andere Ursachenanalyse zutreffen, denn bei ihr gibt es, vor allem auf dem Land einen stillschweigenden Wechsel gerade aus CVP-Kreisen, den man kaschiert.
Die mittlere Abweichung zwischen Resultate und Befragung betrug bei der zweiten Welle 1,54 Prozentpunkte je Partei. Das ist mehr als bei der ersten, wo der Vergleichswert bei 1,3 lag. Das ist unüblich. Es spricht dafür, dass sich verschiedene Probleme gemischt haben dürften.
Den Vergleich nicht scheuen muss die Wahlbörse von www.wahlfieber.at. Nimmt man hier den Tag vor der Publikation der Umfrage als Massstab (26.3.) betrug die Abweichung zum Ergebnis im Mittel 1,34 Prozentpunkte pro Partei. Die grösste Abweichung gibt es bei der FDP, für die die Wettgemeinschaft mehr Verluste erwartete, als es schliesslich der Fall war (2.2 Prozentpunkte Abweichung). Um je 2 Zähler überschätzt wurden dagegen GLP und GP. Damit war die Wahlbörse trendiger als die Wahlbefragung. Wo sich was an Veränderung abzeichnet, übertrieb man.
Bis am Schluss legte sich das noch ein wenig. Der Prognosefehler am Vortag der Wahl reduzierte sich auf weniger als 0,8 Prozentpunkte Abweichung.
Das führt mich zu folgenden Arbeitshypothesen:
1. Wahlbefragungen und Wahlbörsen interagieren. Wahlbörsen richten sich in einer frühen Phase an Wahlbefragungen aus; sie können jedoch auch zur Evaluierung der Sicherheit von Ergebnisse in Wahlbefragungen verwendet werden, insbesondere, wo man vergessene oder verschwiegene Antworten in Umfragen vermuten kann. Im aktuellen Fall betrifft das die SVP.
2. Trends in Wahlbörsen erhellen das Bild der Entwicklungen in der Zeit, während der keine Befragungen mehr gemacht werden dürfen. Im aktuellen Fall betrifft das sie Sammlung hin zur GLP.
Claude Longchamp
Frage: Könnte man auf die Umfragen verzichten, wenn die Börsen besser sind?
Eigentlich nein, die amerikanischen Erfahrungen, wo solche Evaluierungen systematisch gemacht werden, zeigen, dass Umfragen und Börsen auf die Dauer gleich gut sind. Allenfalls kann man eine zeitliche Staffelung vornehmen:
1. Makro-Oekonomische Prognosemodelle, die in der Regel die Ausgangslagen frühzeitig hinreichend definieren, für Neuerungen im Wahlumfreld aber zu unempfindlich sind.
2. Wahlbefragungen, die sich für das mittel- und kurzfristige Tracking im Wahlkampf eigenen, allenfalls mit gewissen Einschränkungen wegen sozial unerwünschten Antworten (die sich mit Erfahrung korrigieren lassen)
3. Wahlbörsen, der Stärke es ist, den last swing zu erfassen, während sie mittelfristig in der Regel der Stimmungslage in Medien und Umfragen folgen. Ohne letzter wären sie wohl schlechter.
In der Schweiz sind sie für die letzten 10 Tage, in denen es keine Umfragen mehr geben kann, ein Surrogat für Demoskopie.
Zu der 1. Arbeitshypothese habe ich folgende Anmerkungen:
1.1. Wahlbefragungen und Wahlbörsen interagieren. Wahlbörsen richten sich in einer frühen Phase an Wahlbefragungen aus;
Diese Hypothese muss ich relativieren. Wahlbörsianer nutzen grundsätzlich Informationen unterschiedlichster Art, um sich eine Meinung über den Wahlgang einer Wahl zu bilden. Eine mögliche Informationsquelle können dabei Wahlbefragungen sein – dies ist aber kein Muss.
Ich möchte im Gegenteil die Behauptung aufstellen: Liegen genügend andere (verlässliche) Informationen vor, schwindet der Einfluss von Wahlbefragungen auf eine Wahlbörse.
Die Luzerner Wahlbörse ist dafür ein gutes Beispiel. Die letzte Umfrage erschien laut Luzerner Zeitung am 21.03.2011 (hier: 1. Welle – m.E. ein Fehler – 1. und 2. Welle vertauscht? Oder im Post “GLP, SP und Grüne als mögliche Wahlgewinnerinnen im Kanton Luzern” ist die falsche Tabelle abgebildet), in der o.a. Tabelle wird der Stand der Wahlbörse vom 26.03. wiedergegeben. Daran lässt sich prima ablesen: Die Händler haben die Wahlbefragung beinahe in Gänze ignoriert. (s. Kurse der GLP, BDP, FDP, SP und der GSP) Sie spielte für die Wahlbörse somit – wenn überhaupt – nur eine marginale, untergeordnete Rolle.
Die Interaktion von Wahlbefragungen und Wahlbörsen ist also nicht zwangsweise gegeben, vielmehr ist zu beobachten, dass die Händler einer Wahlbörse Wahlbefragungen oftmals kritisch hinterfragen und ihnen nicht blindlings folgen.
1.2. Wahlbörsen können jedoch auch zur Evaluierung der Sicherheit von Ergebnisse in Wahlbefragungen verwendet werden, insbesondere, wo man vergessene oder verschwiegene Antworten in Umfragen vermuten kann. Im aktuellen Fall betrifft das die SVP.
M.E. ist der Unterschied im vorliegenden Beispiel zu gering (21,5 zu 21,0), um dies abschliessend beurteilen zu können.
Genau so wichtig erscheinen mir zudem neben den vergessenen oder verschwiegenen Antworten jene (möglicherweise eben falschen) Antworten, die – salopp formuliert – aus einer spontanen Stimmung heraus gegeben werden, also z.b. aufgrund oder unter dem Einfluss eines aktuellen Ereignisses und wo relativ ungewiss ist, ob dieser Stimmungswechsel bis zum Wahltag anhält.
Danke für die Bemerkungen, werde mir das ansehen!
Schon mal klar ist der 21. März als Aufschaltdatum für die Umfrage zur Parlamentswahl.