Warum Wahlbefragungen Sinn machen!

Sicher, es gibt Einfacheres als an der Schwelle zum Wahlkampf 2011 Wahlumfragen zu empfehlen. Ich mache es an den heutigen 3. Aarauer Demokratietagen gerade deshalb. Mit der Absicht, den Blick für Stärken und Schwächen von Tools in Wahlkämpfen zu schärfen.

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Wahlbefragung zeichnen ein Bild der politischen Schweiz – und sind damit mehr als Prognosen.

Die 10 letzten Anfrage, die ich in Sachen Wahlen 2011 von Medienschaffenden, PR-Agenturen und politischen Parteien erhalten habe, lauten zusammengefasst:

. Wie wählt der Mittelstand?
. Wann entscheiden sich die Wählenden verbindlich?
. Hat die BDP ihre WählerInnen eher von der SVP oder von FDP/CVP?
. Beteiligen sich Frauen immer noch weniger an Wahlen als Männer?
. Wie gross ist die Internetnutzung in politischen Kampagnen?
. Welche Themen kommen bei der Bürgerschaft an, welche nicht?
. Stimmen und Wählen AuslandschweizerInnen anders als InlandschweizerInnen?
. Wer wählt nicht?
. Ist Bäumle für die WählerInnen sympathisch?
. Haben Promi mehr oder weniger Wahlchancen?

Was hat sich in den letzten 20 Jahren bei Schweizer Wahlen geändert?

Zwei konnte ich nicht beamnworten: Ob es einen Unterschied zwischen Wählenden im In- und Ausland gibt, kann man nicht beantworten, weil man aus Datenschutzgründen keinen Zugang zu den Adressen der politisch eingeschriebenen AuslandschweizerInnen bekommt, und ob Bäumle im Wahlvolk ankommt oder nicht, weil wir das noch nie überprüft haben. Ob Promis mehr oder weniger Wahlchancen haben als Normalo, kann man in Umrissen auch mit anderen als Umfragedaten beantworten. Der Rest ist typisch demoskopischer Alltag.

Die Nachfrage nach teilnahme- und parteirelevanten Informationen aus BürgerInnen-Sicht an unserem kommt daher, dass die politische Statistik in der Schweiz in Vielem unterentwickelt ist. Manchmal ist es ein einfaches Interesse, das zu Anfragen beim gfs führt. Bisweilen sind es SchülerInnen und StudentInnen, die sich ein realistisches Bild der Schweizer Wählerin, des Schweizer Wählers verschaffen müssen. Oder es besteht ein professioneller Bedarf, möglichst präzisere Entscheidungsgrundlagen: Wer Kampagnen führt, will wissen, was das Potenzial seiner Aktion ist, welche Gruppen man auf der sicheren Seite hat, und wo noch verbreitete Unsicherheit besteht.

Erfahrungsgemäss gibt es drei Möglichkeiten, zu relevanten Antworten zu kommen:

. Man unterhält sich mit seinen peers, Arbeitskollegen oder im Familienkreis, und man macht sich so ein Bild, was im nahen Umfeld Sache ist.Vorteil: hohe Authentizität; Nachteil: die Antworten hängen von der eigenen gesellschaftlichen Stellung ab.
. Man liesst Zeitungen aufmerksam, um mehr über seine Umwelt zu erfahren: Vorteil: Erweiterung des Gesichtsfeldes; Nachteil: immer mehr Trendiges, immer weniger Gesichertes.
. Man macht es so wie in der Sozialforschung, greif auf Studienmaterial zurück: Vorteil: geprüfte Information; Nachteil: aktualisiert nicht immer verfügbar.

Mein Bild der Politik mache ich mir immer als Mix aus den drei Informationsquellen: Was ich den Massenmedien entnehme, nährt meine Fragen. Was ich in Studien finde, revidiert vorläufige Antowroten oder sichert sie. Was ich von letzterem in meinem Alltag wieder finde, ist für mich veranschaulicht.

Genau das zu tun empfehle ich allen, die Wahlbefragungen für sich nutzen wollen. Sie sind ein Teil der Virtualität von heute, lassen aber Bezüge zur Realität herstellen. Man nimmt sie über Medien zur Kenntnis, widersprechen lieb gewordenen Medieninterpretation jedoch häufig.

Was mich immer wieder wundert, wenn Medienschaffende uns kontaktieren und wenn wir ihre Berichte lesen: Die Neugier nach Ergebnissen in Recherchegesprächen ist häufig breit. Die Publikationen focussieren dann meist eine Frage: Sind die Prognosen richtig oder falsch? Den Rest verwendet man am liebsten ohne Quellenangaben in den eigenen Berichten.

Dies Verengung beeinflusst sogar die Fragestellungen, die man für Referate an wissenschaftlichen Tagung gestellt bekommt. So auch für meinen Beitrag in Aarau. Ich will mich dem weder entziehen, noch dabei stehen bleiben. Deshalb werde ich zu Prognosen von Wahlen reden, aber auch zum Nutzen von Umfragen in der Mediengesellschaft.

Hier die Referatsunterlagen.

Claude Longchamp