Parteiwahlen sind einfacher vorherzusehen als Personenwahlen. Diese gut bewährte Regel hat sich auch in Zürich bewahrheitet. Die Umfrage von Isopublic für den Tagesanzeiger-Medienverbund lag bei der Kantonsratswahl mit beschränkten Abweichungen richtig. Bei den Regierungsratswahlen ergeben sich aber relevante Abweichungen.
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Stellt man auf die Prognosefähigkeit von Wahlbefragungen und -börsen 10 Tage vor der Wahl ab, schneiden die Umfrage und Wahlbörse gleich gut ab. Beide Instrumente haben einen Abweichung von 1,25 Prozentpunkten pro Partei. Das ist mittlerer Werte für die Güte beider Instrumente.
Die Tagesanzeiger-Wahlbefragung täuschte sich bei der SP. Festgehalten wurden Gewinne, schliesslich resultierte ein kleiner Verlust. Die Differenz zwischen Befragung und Resultat beträgt 1,7 Prozentpunkte. Grösser noch ist die Abweichung bei der FDP, die schlechter als erwartet abschnitt. Dafür gewann die BDP 1,7 Prozentpunkte mehr als angezeigt, und die SVP verlor 1,6 Prozent weniger als angenommen. Alle Abweichungen bleiben im Stichprobenfehler. Auf einen Nenner gebracht, kann man sagen: Die SVP wurde (wie häufig) unterschätzt, und der Wechsel zu den neuen Parteien (insbesondere zur BDP) auch.
Die Börsianer irrten sich bei der GP. Da wurde 10 Tage vor der Wahl noch mit einem Verlust gerechnet, schliesslich resultierte ein kleiner Gewinn. In der Grössenordnung verschätzte sich die Wettgemeinde bei den Verlusten der SVP (2,5 Prozentpunkte weniger als angenommen) und der FDP (2,1 Prozentpunkte mehr als prognostiziert). Zu skeptisch war man hier auch bei der SP (1,4 Prozent negativer als effektiv), während mit dem Einbruch der CVP nicht wirklich angenommen wurde (1,1 Prozentpunkte geringer als in der Tat). Auch hier kann man vereinfachend festhalten: Die Börsianer sind in der Einschätzung der Linksparteien zu skeptisch.
Einen Tag vor der Wahl war die Wahlbörse dann genauer. Der mittlere Prognosefehler bei den acht grössten Parteien betrug 0.71 Prozentpunkte. Mit anderen Worten: Was in den letzten zwei Wochen geschah, hatte einen beschränkten Einfluss, der richtig bemerkt wurde. Ein Vergleich mit Befragungen ist hier nicht möglich, da die Standesregel des schweizerischen Branchenverbandes es untersagt, so kurzfristiger vor der Wahl Umfragen zu machen.
Schlechter stimmten die Befragungsergebnisse 10 Tage vor der Wahl mit den Resultaten der Regierungsratswahlen überein. Der mittlere Prognosefehler liegt hier bei 6,1 Prozentpunkten. Das ist weit ausserhalb des Stichprobenfehlers. Da dies bei den Kantonsratswahlen nicht der Fall war, sollte man nicht einfach auf ein generelles Problem mit der Umfrage schliessen. Vielmehr kann man annehmen, dass ein Teil der relevanten Meinungsbildung bei dieser Wahl tatsächlich in der Zeit nach der Befragung geschah.
Denkbar ist die folgende Hypothese: Der bürgerliche Schulterschluss gelang erst zuletzt, vor allem zwischen SVP (beide Kandidaten legen um +8 %punkte gegenüber Umfrage zu) und FDP (+6%punkte), jedoch nicht mit der CVP. Umgekehrt funktionierte das rotgrüne Bündnis beim effektiven Aufschreiben von Namen gut (+5%punkte bei Graf, +4%punkte bei Fehr). Das kann mit der Grosswetterlage zusammenhängen, dem Linksrutsch in den Städten, aber auch Taktik sein, die sich aus der aktuellen Stimmungslage der einzelnen BürgerInnen gegenüber den KandidatInnen ergibt.
Rätselhaft bleiben die Resultate Regine Aeppli und Hans Hollenstein. Denn sie schneiden in der Wahl als einzige schlechter ab als in der Umfrage (je -5%). Einen Grund hierfür kann man aus dem Geschehen am Ende des Wahlkampfes nicht ableiten, sodass Befragungeffekte bei einzelnen KandidatInnen hier nicht ausgeschlossen sind. Von aussen her kann man dazu aber nicht mehr sagen.
Bei Hans Hollenstein war das am Ende des Wahltages ausschlaggebend. Richtig erkannte die Umfrage, dass die Wahlchancen von Martin Graf (GP) stiegen, doch nahm man fälschlicherweise an, zulasten von Markus Kägi (SVP).
Eine minimale Schlussfolgerung sollten Demoskopen und JournalistInnen meines Erachtens jeweils schon im Voraus gerade bei Personenwahlen beherzigen: Zu Umfragen gibt es keine wirkliche Alternative. Wenn nun Hochrechnungen gepriesen werden, übersieht man, dass deren Prognosewert 2-3 Stunden beträgt und damit kein Ersatz für Vorwahlbefragungen sind. Parteiwahlen können präziser befragt werden, weil die Meinungsbildung stärker länger- und weniger kurzfristig erfolgt, während bei Personenwahlen bis am Schluss Relevantes Vieles offen bleibt.
Wünschenswert wären grössere Stichproben, oder Befragungen bei BürgerInnen mit einer Teilnahmeabsicht. Das würde die denkbaren Fehlerquellen verringern. Im aktuellen Fall wäre es sicher besser gewesen, wenn man angesichts der Ereignisse eine repräsentative Umfrage vorher und nachher gehabt hätte; so blieb letztlich alles Spekulation.
Unabhängig davon gilt: Umfragen sind deshalb nicht einfach falsch, wenn sie mit dem Ergebnis nicht identisch sind, denn sie werden aber überinterpretiert, wenn sie in einem Meinungsbildungsprozess unbesehen zu Prognosen gemacht werden.
Claude Longchamp
Es hat sich wieder mal deutlich gezeigt, dass Wahlumfragen und Wahlresultat-Vorhersagen völlig daneben liegen können, die Meinung der Leute kaum beeinflussen (vielleicht den Stimmfleiss schon) und lediglich der Neugier dienen.
Es ist wie in einem Film, bei dem man das Ende schon zu Beginn weiss.
Der Film bleibt derselbe, aber er wird uninteressant.
rehcolb
Wenn ich mir die erste Tabelle ansehe, habe ich einen anderen Eindruck.
Wer gewinnt, wer verliert, kommt doch dabei richtig raus.
Ich jedenfalls schaue auf Umfragen, wenn auch nicht um mich beeinflussen zu lassen. Aber ich will wissen, wo ungefähr ich stehe (IM VERGLEICH ZU ANDERN).
Ich bin halt ein “soziales” Wesen.
An der hier erwähnten Wahlbörse (der Plattform Wahlfieber) haben 51 Personen teilgenommen, also nur ein winziger Bruchteil verglichen mit der Anzahl der Teilnehmer an einer sogenannten repräsentativen Umfrage. Die Mehrheit der Händler kam zudem nicht aus der Schweiz, sondern aus Deutschland und Österreich.
Unter diesen Aspekten (geringe Teilnehmerzahl, ortsfremde Händler) betrachtet, ist die Prognose der Wahlbörse erstaunlich gut – aber beileibe kein Einzelfall.
Bemerkenswert zudem: Die Schlusskurse der Wahlbörse mit einem Fehlerquotienten von 0,71 konnten selbst die Hochrechnung des statistischen Amtes des Kantons Zürich weiter hinter sich lassen. (Fehlerwert: 1,04)
aha….wenn auch nicht um mich beeinflussen zu lassen…..
dabei gibt es nur zwei Möglichkeiten, du gehörst zu den Gewinnern (dann kannst du sagen, dass die Leute gar nicht so dumm sind, oder du gehörst zu den Verlierern, dann sind alle anderen blöd… 🙂
Wo du stehst, siehst du ja auch nach den Wahlen.
Und wer recht hat, sieht man nie, denn die Dinge sind in stetem Wandel. Wer hingegen nicht nachhaltig wählt und handelt, für den sollte es keine Wahlen geben, sondern Knast einfach.
at thomas pieck
Die Idee von Wahlbörsen ist ja nicht, dass viele, oder richtig ausgewählte teilnehmen und ihre Meinung äussern.
Deshalb lassen Wahlbörsen hinsichtlich der Rückschlüsse auf Individuen keinen Schluss zu.
Vielmehr ist bei Wahlbörsen die Interaktion interessant. Wenn es zu einem Handel kommt, mit Verkauf und Kauf von Aktien, stellt sich ein neues Gleichgewicht zum Aktienkurs ein der erstaublich gute Werte liefert für Parteistärken.
Allerdings, Wahlbörsen sind in der Regel nicht besser als Wahlumfragen, wenn man sie zum Zeitpunkt der letzten Wahlbefragung nimmt. Und sie sind nicht frei von Verzerrungen, insbesondere wenn zu wenig Handel betrieben wird. Damit der hoch ist, braucht es ein gewisses öffentliches Interesse, und diese wird durch Medien generiert. Damit folgen Wahlbörsen aber Medien stimmungen.
Ohne zu kritisch zu sein: Die Wahlumfragen waren bei der Regierungsratswahl schlechter als bei der Kantonsratswahl. Ein Wahlbörse zu der schwierigeren Wahl im Sinne der Virhersage gabe es indessen gar nicht.
Ich habe vor zwei Monaten einen Moment lang überlegt, ob ich neben der Wahlbörse zur Kantonsratswahl in Zürich auch einen Markt zur Regierungsratswahl aufsetzen soll – denn grundsätzlich sind personalisierte Wahlen spannender als Parteiwahlen -, habe mich dann aber doch dagegen entschieden. Die Angelegenheit erschien mir, oberflächlich betrachtet, zu komplex, und ich war mir unsicher, ob die Händler ausreichend Informationen vorfinden würden, um nicht nur ins Blaue hinein zu traden. Außerdem lag auf Wahlfieber der Fokus in den letzten Monaten eindeutig bei den deutschen Landtagswahlen. Ich hielt daher auch die Zeitressourcen der einzelnen Händler für ausgeschöpft.
Aber: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. In der Schweiz stehen demächst Ständeratswahlen ins Haus – und die Bundesratswahlen, in den USA die ersten Primaries zu den Präsidentschaftswahlen 2012.
Lassen Sie uns daher doch einmal (wie man bei uns im Norden sagen würde) “Butter bei die Fische tun” und einige ausgewählte Personalwahlen in naher Zukunft “gemeinsam” prognostizieren: Sie in Umfragen, wir mittels Märkten.
Nun zu Ihren Thesen:
1. Die Idee von Wahlbörsen ist ja nicht, dass viele, oder richtig ausgewählte teilnehmen und ihre Meinung äussern.
Dem kann ich so nicht zustimmen. Auch Wahlbörsen benötigen eine kritische Anzahl von Händlern, und je méhr Personen sich einbringen, desto so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Fehleinschätzungen einzelner Händler “ausgebügelt” werden. Zutreffend ist natürlich, dass es unerheblich ist, wer teilnimmt – immer vorausgesetzt, die Teilnehmer sind in der Lage zu abstrahieren und sich vor allem von ihrer eigenen politischen Präferenz loszulösen. Auf einer Wahlbörse soll schließlich kein Wunschergebnis ermittelt werden.
2. Wahlbörsen sind in der Regel nicht besser als Wahlumfragen, wenn man sie zum Zeitpunkt der letzten Wahlbefragung nimmt.
Wenn man annimmt, dass Umfragen ein (tages-)aktuelles Meinungsbild widerspiegeln, dann sind Wahlbörsen – wenn denn ihre Fehlerquote ähnlich hoch bzw. niedrig ist wie jene der Umfrage – genau genommen besser als die Umfrage, weil sie von sich aus ein Stimmungsbild wiedergeben haben, das von der repräsentativen Umfrage im Nachhinein bestätigt worden ist. Sie haben sozusagen das Ergebnis der Umfrage vorweg genommen.
3. Wahlbörsen sind nicht frei von Verzerrungen, insbesondere wenn zu wenig Handel betrieben wird.
Dem ersten Teil stimme ich zu. Umfragen leiden u.a. an dem Problem der Falschaussage und der Antwortverweigerung, Wahlbörsen unter möglichen Fehleinschätzungen einiger Teilnehmer. Richtig ist weiterhin, dass durch ein hohes Handelsvolumen Fehleinschätzungen leichter korrigiert werden können. Aber: das Handelsvolumen sagt nicht umbedingt etwas aus über die Qualität einer Prognose. Wenn ich eine Wahlbörse aufsetze mit wenigen, aber guten, also erfahrenen Händlern, die freiwillig nach Informationen suchen und diese in den Markt einfließen lassen, wird das Handelsvolumen sehr niedrig sein und trotzdem kann im Normalfall davon ausgegangen werden, dass die Prognosegüte gegeben ist.
4. Damit der Handel hoch ist, braucht es ein gewisses öffentliches Interesse, und dieses wird durch Medien generiert. Damit folgen Wahlbörsen aber Medienstimmungen.
Auch diese These trifft nur bedingt zu. Selbstverständlich können Medien oder Ereignisse, die im öffentlichen Fokus stehen, ein Wahlverhalten beinflussen – siehe Atomunfall in Japan. Genauso haben aber regionale/lokale Probleme Einfluss auf eine Wahl, und diese Probleme werden nicht unbedingt medienwirksam ausgeschlachtet. Für eine gute Prognose ist es aber wichtig, auch diese Probleme zu erkennen.
Folgen Wahlbörsen Medienstimmungen? Wenn ich die Diskussionen in unserem Forum betrachte, komme ich eher zu dem Schluss, dass unsere Händler erst einmal genau abwägen, ob eine bestimmte Berichterstattung Einfluss auf eine Wahl haben könnte, und erst nach dieser Abwägung verändern sich ggf. die Kurse. Ich wage daher den Umkehrschluss: Umfragen geben tagesaktuelle Stimmungen vielleicht besser wieder als eine Wahlbörse, weil sich der erfahrene Händler erst einmal fragen wird, ob die tagesaktuelle Stimmung bis zum Wahltag anhalten wird oder bis dahin bereits wieder von anderen Problemen überlagert sein wird. Anders formuliert: Die meisten Teilnehmer an einer Wahlbörse traden auf das Ergebnis am Wahltag hin, was natürlich nicht ausschließt, dass es zu (kursfristigen) Kursschwankungen kommen kann.
Danke für die Stellungnahme.
Ich muss ihr widersprechen. In Umfragen kennt man zwei Konzepte: die Wahlabsichtsfrage, und die Frage nach dem Meinungsklima mit erwarteten Siegern und Verlieren.
Zur Wahlabsichtsfrage auf individueller Ebene gibt es in Wahlbörsen kein Korrelat. Zur Erwartungshaltung schon.
Da lass ich gelten, dass Wahlbörsen geeigneter sind als Umfragen, Erwartungen zu messen. Das hat einen Grund: Das Ergebnis von Wahlbörsen stellt sich aufgrund eines in Ansätze kollektiven Prozesses ein, von dem sie zurecht sagen, dass er auf Wahrscheinlichkeit basiert, nicht auf Wünschbarkeit. Das ist, bei einer interessierten und qualifizierten Schar von Wettpersonen eher der Fall als bei einem Bevölkerungsquerschnitt. Denn in Umfragen sind das aggregierte Individualmeinungen zum erwarteten Ausgang mehr nicht.
Das andere sind eigene Stimmabsichten, die zu einem Wahlergebnis zusammengefasst werden. Basiert das auf einem repräsentativen Querschnitt der Wählenden, gibt es kein besseres Konstrukt, das der Wahl selber entspricht.
Theoretisch spricht das für Wahlbefragungen.
Völlig unbelegt ist, das Wahlbörse noch besser seien, weil sie Realitäten erschaffen würden. Alle Erfahrungen in den USA mit Wahlbörsen verweisen darauf, dass diese den Umfragetrends nicht vorausgehen, sondern ihnen folgen.Das macht auch Sinn, denn zu den Informationen von Tradern gehören auch Umfragen.
Bei diesen widerum stellt niemand mehr auf der ganzen Welt auf die Erwartungshaltungen der Wählenden ab,sondern auf die Wahlabsichten.
Tests, die wir mit Wahlfieber bei der Publikation von Umfragen in der Schweiz machen, belegen das. Die Effekte sind in der Regel aber nicht anhaltend, weil die Trader laufend neue Informationen verarbeiten.
Soweit die Theorie. Nun die Praxis. Die Trader waren am Tag vor der Parlamentswahl in Zürich sehr genau. Sie hatten keinen qualitativen Prognosefehler mehr, und die Abweichungen waren minim. Chapeau!
Allerdings ist das ein unfairer Vergleich, ausser sie informieren uns genauer, warum sie die Wahlbörsern für präziser halten als die Hochrechnungen.
Bei Vergleich von Wahlumfragen und Wahlbörsen in der Schweiz müssen die Messwerte zu gleichen Zeitpunten vergleichen werden. Eine Vorgabe dazu habe ich in diesem Post gemacht. Der kommt zum Schluss, dass beide Instrumente beschränkte Mängel haben, und zwar in quantiativer wie qualitativer Hinsicht. Beides ist meist nicht gravierend, wenn auch störend.
Bei den Zürcher Wahlen hätte mehr interessiert, dass sie Stellung genommen hätten, ob es Erklärungen gibt, weshalb die Linke insgesamt falsch eingeschätzt wurde. Ich bleibe das gespannt.
Bedauerlich bleibt, dass sie die Regierungsratswahl ausgelassen haben. Das Argument der Informationsbeschaffung lasse ich nicht gelten. Die Zürcher Medien, die am nächsten dran waren, berichteten mehr über diese Wahl als über die, die sie prognostiziert haben.
Die Kapazitätsgründen in Ehren, Ständeratswahlen sind mit Regierungsratswahlen nicht zu vergleichen. Denn da wird es in jedem Wahlkreis um 1 oder 2 Sitze gehen, wobei die Wette auf den Amtsinhaber zu mehr als 90 Prozent Wahrscheinlichkeit schon mal richtig ist.
Regierungsratswahlen sind, wie sie vermuten, die schwierigsten. Denn im Wahlkreis stehen 5 bis 7 Sitze zur Verfügung, die aber nicht nach dem Proporz-, sondern nach dem (moderierten) Majorsverfahren vergeben werden. Das ist komplexer, weil sie nicht einfach zwei Listen, eine von Links und eine von Rechts, gegenüberstehen, sondern jede Partei Kandidierende portiert, sie allenfalls in überpartliche Allianzen einbinden, die Wählenden aber frei sind, das zu übernehmen oder auch individuell abzuändern.
Das ist wohl die Maximalzahl an Unbekannten, der Unsicherheiten nur über die Zeit, bisweilen erst zu letzt reduziert werden.
Das ist für Umfragen schon eine Leistungsgrenze, klar und deutlich gesagt. Es potenziert sich, wenn man spätestens 10 Tage vorher abbrechen muss.
Genau hier wäre es interessant gewesen, eine Leistungsvergleich in der Extremsituation vorzunehmen.
Ist es Zufall oder nicht, dass sie, wenigstens sei ich das bei Wahlfieber (wohlwollend) verfolge, systematisch ausgelassen haben?
Gerne höre ich dazu mehr.
Und noch was: Latent schwingt in ihrer Stellungnahme die Abgrenzung von Methoden mit. Das ist nach der führenden Website für das forecasting (www.pollyvote.com) eine veraltete Attitüde. Besser wäre es, von der theoretische Unterschiedlichkeit der Instrument auszugehen, ihre Genauigkeit nicht zu behaupten, sondern im Vergleich zu testen, und auf alle fällen alle weitgehend brachbaren, aber leicht imperfekten Methoden miteinander zu kombinieren.
Das ist auch der Grund, weshalb ich mich als Politikwissenschafter unvoreingenommen für Wahldemoskopie und -traiding interessiere.
Beim letzten Punkt rennen Sie bei mir offene Türen ein. Denn ich sehe sowohl Schwächen bei den Umfragen als auch Schwächen bei den Wahlbörsen. Es ist m.E. daher längst überfällig, dass jemand einen ernsthaften Versuch unternimmt, die beiden Methoden miteinander zu kombinieren und somit die Stärken, die beide Prognoseinstrumente haben, für sich im Sinne einer noch genaueren Prognose zu nutzen.
Das wäre es vermutlich!
Noch einmal zurück zu den Zürcher Wahlen.
Ich habe es schon mehrmals erlebt, dass Wahlbörsen genauer waren die Umfragen, die am Tag der Wahl erhoben wurden, allerdings noch nie, dass eine Wahlbörse besser war als eine Hochrechnung nach der Wahl. Ich räume allerdings ein, dass dies womöglich weniger für die Wahlbörse spricht, denn für die mangelnde Qualität der Hochrechnung.
Ich gebe Ihnen weiterhin dahingehend recht, dass die Regierungsratswahlen sehr komplex und somit nicht ohne weiteres auf eine Wahlbörse übertragbar sind. Ich hatte mir damals schon sehr konkrete Gedanken darüber gemacht, wie diese abgebildet werden könnten. U.a. auch deswegen habe ich das Aufsetzen solcher Märkte verworfen. Denn eine Wahlbörse ist erst dann gut, wenn die User sie annehmen (können). Genau an diesem Punkt hatte ich mit Blick auf die Landtagswahlen in Deutschland meine ernsthaften Zweifel. Allerdings haben wir ähnlich komplexe Börsen bereits für die Bundesratsersatzwahlen 2010 aufgesetzt, in denen es darum ging, das Stimmverhalten im ersten Wahlganges vorherzusagen. Ich denke, das lässt sich durchaus mitewinander vergleichen.
Auch wenn die Ständeratswahlen im Herbst sicherlich nicht annähernd so komplex sind, hinkt der Vergleich m.E. trotzdem nicht per se. Denn es geht natürlich nicht darum zu prognostizieren, wer gewählt wird – das wäre vermutlich zu einfach – sondern darum, das prozentuale Abschneiden der Kandidaten zu ermitteln. Woraus Sie erkennen können, ich bin kein Freund von “The-winner-takes-all”.
Ein Schlusssatz noch zum Thema Verhältnis Umfragen und Wahlbörsen.
Natürlich fließen Umfragen als eine wichtige Information in die Wahlbörsen ein. Das gilt umso mehr je ortsfremder die Mehrzahl der Händler ist. Allerdings konnten wir umgekehrt bei der Nationalratswahl 2007 das Phänomen beobachten, dass die Wahlbörse diverse Trends vorweg genommen hatte, die anschließlich durch eine Umfrage quasi bestätigt wurden. Die Mehrzahl der Händler an dieser Wahlbörse war nicht ortsfremd.
Eine Frage abschließend: Wie kommen Sie darauf, dass die Linke bei der Zürcher Wahlbörse falsch eingeschätzt worden ist? Der Trend der letzten Woche liegt sehr nahe am realen Ergebnis. Richtig ist, dass die Werte zwei, drei Wochen vor der Wahl noch anders aussahen, sowohl SP als auch Grünen lagen ca. 2 % unter dem Wahlergebnis. Hier kommt m.E. das zum Tragen, was in der Schweizer Presse wiederholt als “Fukushima-Effekt” beschrieben worden ist, der auch größeren Einfluss auf die Wahlen in Deutschland hatte. Ohne diese Katastrophe hätten die Grünen – wie auch die SP – vermutlich einige Prozente verloren, wie schon zuvor bei den Kommunalwahlen in der Westschweiz.
ehrlich gesagt, mir ekelt fast ein bisschen beim Lesen von obigen (cal und Pieik) Zeilen. Könnte man nicht auch eine Börse machen, oo nun die Rebellen oder die Regierungstreuen in Libyen die Oberhand gewinnen oder wer Tote macht? Ändern würde es ja am Resultat nichts, aber der Handel mit Toten ist ja nicht gerade edel.
Wenn wir also die Wahlen mit der Produktion von Toten vergleichen, ist das ja nicht ganz falsch, zumindest in einigen Ländern.
Hier müsste man Scheintote sagen, denn meistens werden Politiker, die zum Parlamentarier oder Exekutivmitglied mutieren, quasi zu neutralen wesen, die nur noch gut leben wollen.
at Peick
Die Feststellung ist im Artikel belegt.
10 Tage vor der Wahl ging man von Verlusten insbesondere der SP, aber auch von einem Nasenstüber für die Grünen aus.
Das war die alte Leseweise der GLP: Sie politisiert im Zentrum mit den Stimmen enttäuschter Linker. Diese These ist aber überholt, nicht nur wegen der AKW Frage. Die ging ja 10 Tage vorher los.
Ueberhaupt: Von einem Kucku-Effekt, wie sie ihn zitieren, findet man in den Wahlbörsen gar nichts (genauso, wie man nur wenig in den Wahlergebnissen findet).
Ich habe auch eine Frage an sie: Warum lassen sie nie die Traders auch die Wahlbeteiligung schätzen. Das wäre superspannend, denn es hilt zu vestehen, ob wir vor allem Wechselereffekte haben oder Mobilisierungsffekte. In der Schweiz ist das wichtig, weil die Wahlnbeteiligung sehr volatil geworden ist (in BadenWürttemberg übrigens auch!!!).
at rehcolb
Das das könnte man, müsste man sogar.
Denn es geschieht, ob das prognostiziert wird oder nicht, mit jeder Neinformation. Danke Prognose hätte man zu willkürlichen (Medien)Interpretationen eine Kontrolle.
Das ist eben nicht zynisch, sondern realistisch.
Uebrigens, den Handel mit Toten erfinden nicht Traders auf Internet, sondern die Politik. Das sollte man präzise sein.
Es gibt sogar Evaluierungen davon, wieviele Tote es leiden mag, bis die Stimmung gegenüber Politikern kippt.
Schauen sie sich mal die Studien von Douzglas Hibbs an, die auch auch schon besprochen habe. Der sagt, die Gunste gegenüber Politiker hängt positiv vom Essen, negativ von Kriegstoten ab.
goggeln sie bread peace modell hibbs!
Märkte zur Wahlbeteiligung bei den dt. Landtagswahlen waren vorgesehen, ich habe sie aber zugunsten anderer Märkte zurückstellen müssen. Ich schrieb in einem anderen Post, dass Wahlbörsen eher zögerlich auf Stimmungen reagieren, angesichts der Atomkatastrophe war dies vollkommen anders: Die Kurse purzelten oder schossen in die Höhe. (Stichwort: “German Angst”) Anhand der Diskusssionen im Forum war schnell klar, dass auch erfahrene Händler nicht mehr wussten, wie die kommenden Wahlen ausgehen würden. Die Prognosen waren eine zeitlang im wahrsten Sinne des Wortes verhagelt. Ich habe mich daher dafür entschieden, sogenannte Ein-Parteien-Märkte aufzusetzen, um das Ergebnis der Parteien – insbesondere der Grünen – unter den neuen Bedingungen besser abschätzen zu können.
Hier offenbarte sich aber ein weiteres “Dilemma”: Wahlfieber ist eine feine, aber kleine Community. Die Börsen zu den Landtagswahlen haben wir ohne großen Medienpartner aufgesetzt. Bei jedem neuen Maerkt musste ich abwägen: Schafft das die Community noch oder überfordere ich sie? Überforderung bedeutet Frustration, Frustration hat zur Folge, dass User über kurz oder lang wegbleiben. Will sagen, nicht alles, was wünschenswert ist, ist mit ehrenamtlichen, freiwillig teilnehmenden Usern auch möglich. Streng genommen bräuchte es einen Pult von mehr oder weniger hauptamtlichen Tradern, um alle wichtigen Fragen im Zusammenhang mit einer Wahl zu erörtern. Das Finanzielle sozusagen als Anreiz, um sich intensiv mit einer (fremden) Fragestellung zu beschäftigen.
Kommen wir zurück zur Schweiz:
Betrachte ich die kantonalen und kommunalen Wahlen im Jahr vor Zürich, so ließen sich mehr oder weniger durchgehend zwei Verlierergruppen ausmachen: Die traditionelle bürgerliche Mitte – CVP, FDP, zum Teil auch SVP – und die LINKE – sprich GPS und SP (mit Ausnahme der radikalen Linken). Zu den Gewinnern gehörten GLP und BDP. Bis Mitte März gab es m.E. keine gravierenden Anzeichen dafür, dass dies bei den kantonalen Wahlen in Zürich anders sein würde, eher im Gegenteil, da Zürich die Heimat der GLP ist.
Entsprechend lagen die Werte für GPS und SP bei der Wahlbörse deutlich im Minus. Dies änderte sich mit dem Atomunfall in Japan. Die Linke – atomkraftkritisch – holte auf und konnte zumindest ihr altes Ergebnis halten, die GLP gewann übeproportional. Oberflächlich betrachtet gab es somit nur einen geringen Fukushima-Effekt, wenn man allerdings näher hinschaut, ist dieser Effekt m.E. viel größer.
Mir liegen leider keine Daten über die Wählerwanderungen im Kanton Zürich vor, gefühlsmäßig möchte ich aber dennoch unterstellen, dass die GLP sowohl Stimmen aus dem bürgerlichen Lager als auch im geringeren Umfang von den Linken erhalten hat. (Man beachte: Nicht jeder, der links gewählt hat, ist auch ein Linker)
Ein ähnliches Bild liefern die dt. Landtagswahlen: Die Linksparteien (SPD, Die Linke – die dt. Grünen ordne ich nicht mehr per se unter links ein) verlieren. Mit einem großen Unterschied: In Deutschland werden ausschließlich die Grünen als atomkritisch wahrgenommen, weder der SPD noch der Linkspartei nehmen die Wähler das Nein zur Atomkraft ab. Es hat daher – anders als in der Schweiz – nur eine Partei von den Ereignissen in Fukushima profitiert. Der Effekt ist in Deutschland also viel sichtbarer als in der Schweiz. Und noch eine Gemeinsamkeit: Fukushima hat die deutschen und schweizer Grünen (die GLP ausgenommen) aus einer beginnenden Krise gerettet. Eine Krise, die zuletzt bei den Kommunalwahlen in der Westschweiz sowie den Hamburger Bürgerschaftswahlen deutlich sichtbar wurde. Nun könnten Sie sagen: Wieso denn das? Die Grünen haben doch in Hamburg gut 1,5 % gewonnen. Ich würde dem sofort entgegen halten: Das Ergebnis der Hamburger Grünen lag bis 2008 stets weit über dem Bundestrend. Im Februar 2011 lag ihr Ergebnis mindestens 4 % unter dem Bundestrend.
Obige Analyse ist wirklich unsinnig und langweilig.
Um dem Wähler etwas bieten zu können, sollte untersucht werden, was die parteine versprechen und wie sie gehandelt haben, um dann zu wissen, welche Partei einem am besten entspricht.