Amstutz dank Mobilisierungsfähigkeit gewählt – Wyss mit Support aus der Mitte und FDP nur knapp geschlagen

Die Karte kennt man. Das zentrale Muster der Erklärung zur jüngsten Ständeratswahl im Kanton Bern war der Stadt/Land-Gegensatz. Zwischenzeitlich haben wir gerechnet. Adrian Amstutz lag am Ende wegen seiner Mobilisierungsfähigkeit vorne, Ursula Wyss holte die Mehrheit der Stimmen von SP bis FDP.

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Adrian Amstutz kam im 2. Wahlgang auf 76 Prozent der Stimmen aus agrarischen Gemeinden. In touristisch geprägten Kommunen schaffte er es auf 68 Prozent. 67 Prozent waren es in agrarisch-gemischten Gemeinden, und Mehrheiten von 58 resp. 56 Prozent resultierten in Pendler- resp. Industriegemeinden. Gegenden, die durch Landwirtschaft, Industrie oder Tourismus geprägt sind, waren auf seiner Seite. Ursula Wyss erzielte ihr bestes Ergebnis in den städtischen Zentren, 65 Prozent der Stimmen gingen da an sie. 57 Prozent waren es in den einkommensstarken Gemeinden, 52 in den suburbanen und 50,4 in den periurbanen Kommunen. Sie ist die PolitikerInnen der Dienstleistungsgesellschaft.

Dieses Raumprofil hat Auswirkungen auf die parteipolitischen Affinitäten der beiden KandidatInnen im zweiten Wahlgang. Genaue Prozentwerte lassen sich hier nicht benennen. Doch können Affinitäten bestimmt und Wahrscheinlichkeiten geschätzt werden – etwa im Vergleich zu den Grossratswahlen 2010:

Erstens, beide KandidatInnen legten aufgrund der zusätzlichen Mobilisierung zu. Bei Amstutz ist der Effekt allerdings einiges höher als bei Wyss. Der linken Bewerberin gelang es aber besser, sich bei den WählerInnen anderer Parteien zu empfehlen.

Zweitens, Amstutz wurde im zweiten Wahlgang mehr als im kantonalen MIttel unterstützt, wo seine eigene SVP stark ist. Das gleiche gilt auch, wenn es sich um EDU-orientierte Gemeinden handelt. Schwach trifft dies auch für Kommunen mit einem erhöhten EVP-Anteil. In den beiden letzten Gemeindegruppen legte er von 1. zum 2. Wahlgang zu. In den SVP-Gemeinden hatte er sein Potenzial dagegen schon im ersten Wahlgang weitgehend ausgeschöpft.

Drittens, bei Wyss ist der parteipolitische Hintergrund breiter als beim Gewählten. Sie wurde stärker als im Mittel gewählt, wo die SP stark ist, die Grünen und/oder die PSA. Doch zeigen Gemeinden mit FDP-, GLP-, CVP- und GFL-Orientierung erhöhte Zustimmungswerte für die Sozialdemokratin. Stärker geworden ist im zweiten Wahlgang der Support für sie vor allem dort, wo es vergleichsweise viele GLP- und FDP-Wählende hat. Etwas verbessert hat sie sich auch in den klassischen linken Gemeinden, mit starker SP oder GP-Präsenz.

Viertens, nicht entscheidbar ist, ob die BDP auf die eine oder andere Seite tendierte. Eine eigentliche Bewegung in die eine oder andere Seite konnte die noch junge Partei nicht auslösen.

Was heisst das alles? Der Wahlsieg von Ständerat Adrian Amstutz wurde weitgehend durch seine eigene Partei erkämpft. Sein bekanntes Hardliner-Profil, verstärkt durch klar werberische Positionen in der Oeffnungs- und Armeefragen liess sich exemplarisch für die Mobilisierung von Personen einsetzen, die bei typischen konsens-orientierten Angeboten nicht angesprochen fühlen. Dieses Profilierung erschwerte es aber, über die direkt angesprochene, konservative Wählerschaft hinaus, zahlreiche Parteigänger zu finden.

Ursula Wyss bot in vielem das Gegenstück zu Adrian Amstutz. Doch die SP hat ihre Schlagkraft bei der Mobilisierung über die eigene Wählerschaft hinaus nicht so verbessern können wie die SVP. Dafür war ihre parteipolitische Abstützung breiter. Eine klare Mehrheit von Rotgrün, aber auch eine kleine Majorität der kleinen Mitte-Parteien und der FDP dürfte ihr die Stimme gegeben und damit dem Rückstand verkleinert haben.

Partei- und Personeneffekte nach amerikanischem Muster mischten sich bei dieser Wahl exemplarisch. Das zeigt sich auch an der Polarisierung. Amstutz griff mit relevanten Themen seine Gegnerschaft an. Diese reagiert mit negative voting auf das negative campaigning. Gemeint ist damit, dass man jene Kandidatur nicht wählte, die einen mehr ärgerte. Die Bilanz am Ende der Kampagne gab dem Sigriswiler recht – doch nur knapp.