Nun liegt sie vor: die Detailanalyse des Bundesamtes für Statistik zu den raumbezogenen Ergebnissen der Abstimmung über die Waffen-Initiative. Sie legt nahe, das Stadt/Land-Kontinuum aufzuteilen, in Kernstädte, Agglomerationen und Landgemeinden.
Die grösste Differenz im Abstimmungsverhalten der Gemeinden gibt es nach BfS zwischen grossen Kernstädten und (semi)agrarischen Landgemeinden. Diese votierten zu 72 Prozent gegen die Initiative, jene zu 65 Prozent dafür. Das hatte man schon am Sonntag.
Im ruralen Raum ist die Ablehnung weitgehend typen-unabhängig. Auch die Landgemeinden mit industrieller oder touristischer Erwerbsstruktur waren dagegen, genauso wie die Pendlergemeinden auf dem Land. Das kommt in der nebenstenden Karte gut zum Ausdruck.
Differenzieren muss man den urbanen Raum. Zunächst hängt der Ja-Anteil von der Grösse der Zentrumgemeinden ab. Die Stimmenden der Grosszentren votierten wie gesagt zu zwei Dritteln dafür, jene der Mittelzentren zu 53 Prozent. In den Kleinzentren (ohne Agglomeration) resultierte ein Ergebnis fast wie gesamtschweizerisch – 58 Prozent dagegen.
Unterscheiden muss man auch zwischen Kernstädten und Agglomerationsgemeinden. Diese waren in ihrer Gesamtheit auf der Nein-Seite, wenn auch teilweise knapp. So erreichte die Initiative in den einkommensstarken Agglomerationsgemeinden im Schnitt eine Zustimmung von 49 Prozent. In den Agglomerationen der fünf Grosszentren resultierte ein mittlerer Ja-Anteil von 47 Prozent. Wer im urbanen Raum eines Mittelzentrums stimmte, war dann aber zu 61 Prozent dagegen.
Das spricht für eine Dreistufung der Abstimmungsergebnisse zur Waffen-Initiative im Raum: Ja-Pol in den Kernstädten, abhängig von der Grösse, mittlere Position mit Ja- und Nein-Gemeinden in den Agglomerationen, abhängig vom Zentrum, und ein flächendeckender Nein-Pol auf dem Land.
Das Interessante ist, dass es eine Bewegung vom Land in die Kleinstädte und Agglos der Mittelzentren gibt, beschränkt auch der Grosszentren. Das jedenfalls kann man schliessen, wenn man die Haupttrends in der Meinunungsbildung mitberücksichtigt. Denn die bewusste Ablehnung baute sich erst mit der Nein-Kampagne auf, war aber so stark, dass sie auch die Zustimmungsbereitschaft reduzierte.
Im grossen Ganzen entspricht dies dem Bild bei der Minaretts-, Ausschaffungs- und Steuergerechtigkeitsinitiative. In allen drei Fällen wurde die Position des ruralen Pols zur Mehrheit. Die Grenzlinie bei der Zustimmungs-/Ablehnungsmehrheit ist allerdings nicht immer identisch. Marginalisiert wurden die Grosszentren insbesondere bei der Minarettsfrage. Ansonsten geht die wirkliche Trennlinie wohl durch die Agglos der grossen Zentren.
Claude Longchamp
Ihr Weblink zum BFS führt zu einer Bing-Suche, ist das beabsichtigt?
Merci, verbessert!
Ist es möglich, dass der Stadt-Land-Gegensatz ein Linksrechts-Gegensatz ist? Immerhin haben Städte einen hohen Ausländeranteil bzw. Möglicherweise einen höheren Anteil eingebürgerte Ausländer, die weniger Verständnis für traditionelle Schweizer Werte haben. Ausserdem regieren in Städten wie z.B. Zürich und Basel linksgrüne Regierungen, die ja von der Mehrheit der jeweiligen Stadtbürger gewählt worden sind.
Einfach nur von Stadt-Land-Gegensatz zu sprechen bringt meiner Meinung wenig. Ich habe gegen die Entwaffnungsinitiative gestimmt. Ich wohne auf dem Land, lebte aber 10 Jahre lang in der Stadt Zürich und knapp ein Jahr in Lausanne. Abgesehen davon arbeite ich für eine international tätige Firma in der Stadt Zürich und pendle jeden Tag von meinem Agglo-Dorf (zwischen Greifensee und Zürichsee gelegen) nach Zürich.
Natürlich haben sie recht.
Politisch gesprochen handelte sich um eine Links/Rechts-Gegensatz. Das wird auch die VOX-Analyse bestätigen, und diese Trennlinie wird wohl zwischen rotgrün und bürgerlichern Parteien verlaufen.
Doch sind nicht alle Gegensätze zwischen linken und rechten Parteien automatisch auch Stadt/Land-Konflikte. Das ist namentlich dann nicht der Fall, wenn die Linke eher sozialkonservative Positionen vertritt. So hatte sie mit der Postinitiative eine beträchtlichen Erfolg (49%), weil sie gerade auf dem Land viele Stimmen machte. Das war beispielsweise auch bei der Gentech-freien Landwirtschaft der Fall (56%) Ja.
Typisch für Modernisierungsfragen ist, dass sie nebst L/R stark auch zwischen Stadt und Land polarisieren. Das ist bei allen Fragen der Oeffnung so, bei Fragen der urbanen Lebensweise (zb. Partnerschaftsgesetz), neuerdings auch in der Fremden-Thematik der Fall (Minarett, Ausschaffung, Waffen).
Das Entscheidende, und das war die Absicht des Beitrags, ist, wo die Grenzlinien in den Agglos durchgehen.