Die Stadt Bern wird so oder so aus der Kernenergie aussteigen – was macht der Kanton?

Zwischenzeitlich sind mehrere Grossstädte aus der Atomenergie ausgestiegen. Am 28. November 2010 zog Bern mit Basel, Genf und Zürich gleich. Bei einer hohen Stimmbeteiligung votierten 61 Prozent für den Ausstieg bis ins Jahr 2039.

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Abstimmungsergebnisse vom 28. November 2010 in der Stadt Bern: Ja zum Ausstieg bis 2039, Nein zum Gleichen innert 20 Jahren.

Die Initiative für den Ausstieg aus der Atomkraft kam aus dem rotgrünen Lager, und sie wurde von zahlreichen Umweltorganisation mitgetragen. Im Gemeinde- und Stadtrat teilte man das generelle Anliegen, hatte aber Zweifel bei der Zeitvorgabe. Ein Ausstieg innert 20 Jahren erschien zu ambitioniert, denn die Stadt ist bis 2039 an Kernkraftwerk in Gösgen beteiligt. Deshalb formulierten die Behörden einen Gegenvorschlag, der namhafte finanzielle Nachteile des Elektrizitätswerkes Bern zu vermeiden suchte.

Bekämpft wurde der Aussteig von SVP und FDP sowie von den Wirtschaftsverhänden. Sie empfahlen ein doppeltes Nein. Die Mitte-Fraktion rund um Energie-Gemeinderat Reto Nause, der CVP- und BDP-PolitikerInnen angehören, setzten sich für den Gegenvorschlag ein. Die rot-grünen Parteien empfahlen die Initiative, teilweise auch den Gegenvorschlag.

Das Interesse an der Abstimmung war gross. 51,4 Prozent der Stimmberechtigten beteiligten sich. Es setzte sich der moderatere Gegenvorschlag mit 60,6 Prozent Ja-Stimmen durch, während die Initiative von 51,2 Prozent angelehnt wurde.

In den Abstimmungskommentaren lobte man die Kohärenz der Entscheidungen. Die Stadt Bern habe sich mehrfach kritisch zur Atomenergie geäussert und den Ausstieg gar in der Gemeindeverfassung verankert. Jetzt habe man den Sack zugemacht und will Taten walten lassen.

Auch in der Stadt Bern gewinnt Rotgrün Volksabstimmungen nicht mehr automatisch. Massgeblich ist die Unterstützung aus dem Mitte-Lager. Dsa war wohl auch hier so. Nach Stadtkreisen waren alle sechs mehrheitlich für den Gegenvorschlag, derweil die Initiative in konservativeren oder bürgerlichen Stadtgebieten wie Bümpliz, aber auch Kirchenfeld deutlich scheiterte.

Ueber die Beweggründe kann man nur spekulieren. Die Kosten dürften mit Sicherheit von Belang gewesen sein; sie sprachen klar für den Gegenvorschlag, aber gegen die Initiative. Die Versorgungssicherheit kann durch die Energiegewinnung aus der neuen Kehrrichtverbrennungsanlage sicher gestellt werden. Kritisiert wurden aber die ökologischen Folgen der Gasproduktion. Nicht unwesentlich dürfte schliesslich gewesen sein, dass sich das ewb im Abstimmungskampf auf Seiten des moderateren Vorschlages engagierte.

Bern schloss sich damit Zürich, Basel und Genf, die ähnliche EnergieWenden guthiessen. Klar ist allerdings auch, dass ausserhalb der Kernstädte die Zurückhaltung in Volksentscheidungen gegen die Kernenergie in der Regel grösser ist.

Claude Longchamp