Im Kanton Bern finden in 10 Tagen Ersatzwahlen in den Ständerat statt. Breit ist das Rätselraten, was geschieht. Den Grad der Unsicherheit kann man mit gezielten Stärken/Schwächen-Analysen der BewerberInnen jedoch einschränken.
Beide Grafiken geben die gleiche Information wieder, die linke aufgrund der 8 Themenfelder von smartvote, die rechte aufgrund der Positionierung im politischen Raum (rot=Wyss, hellblau=Jost, blau=Markwalder, grün=Amstutz).
Für die Nachfolge von Simonetta Sommargua, seit 100 Tagen Bundesrätin, bewerben sich Adrian Amstutz (SVP), Marc Jost (EVP), Christa Markwalder (FDP) und Ursula Wyss (SP). Wer gewinnt? Wer verliert? – Die von der BZ publizierte Online-Umfrage bringt nicht viel: Sie sieht Wyss von Amstutz, und Jost von Markwalder. Doch ist sie unrepräsentativ, das heisst sie sagt über die beteiligten UserInnen hinaus nichts aus.
Sicher, Ergebnisse der letzten Nationalratswahlen zeigen, dass Adrian Amstutz am meisten Stimmen machte. Er lag vor Ursula Wyss und Christa Markwalder. Doch hatte er mit der SVP auch die grösste Hausmacht, genauso vor Wyss und Markwalder.
Anders als bei Nationalratswahlen kommt es bei Ständeratswahlen weniger darauf an, für welche Partei man kandidiert, als von welche Parteien man zusätzlich unterstützt wird. Da liegt Ursula Wyss, die Kandidatin der Rotgrünen, mit 29 Prozent Parteistärke vorne. Markwalder ist, dank dem Segen der BDP, praktisch gleich auf mit Amstutz. Zudem kann gezeigt werden, dass Markwalder 2007 in ihrem Wahlresultate am meisten Panaschierstimmen hatte, gefolgt von Wyss, während Amstutz da nur beschränkt punkten konnte.
Die heute publizierten Angaben von smartvote lenken die Aufmerksamkeit auf einen weiteren Aspekt – nämlich auf die thematische Positionierung der Bewerbungen untereinander. Von Vorteil ist hier, dass Jost direkt miteinbezogen werden kann, und dass sie aktuell sind.
Die Auswertungen zeigen, dass Jost Wyss am nächsten steht, und mit Amstutz kaum Gemeinsamkeiten hat. Das rührt von den Positionen in der Oeffnungsfrage her. In der Sozial- und Finanzpolitik denkt der EVP-Mann wie die SP-Frau, bei der gesellschaftlichen Liberalisierung ist er moderat wie Markwalder. Nur bei Ruhe- und Ordnung-Themen kommt er Amstutz nahe, ohne ihn aber zu erreichen.
Das alles wäre unerheblich, wären zwei Sitze zu vergeben; das würde sogar den Reiz erhöhen, Allianzen mit dem EVP-Politiker einzugehen, um sich im Austausch stimmen in der Mitte zu sichern. Bei Ersatzwahlen mit nur einem Sitz ist die Wirkungen genau umgekehrt. Da sucht der EVP-Mann bei vergleichbaren WählerInnen Stimmen Wyss und Markwalder.
Ich weiss, eine Prognose ist auch das nicht. Es ist aber aussagekräftiger als jede parteipolitische oder journalistische Spekulation. Denn es hilft performierte Bilder von KandidatInnen zu hinterfragen, zu ergänzen und zu korrgieren. Solche Stärken- und Schwächen-Analysen objektiveren das, was zu stark aufgrund von subjektive Interesse behauptet wird. Klar ist mir auch, dass das die Analyse der Kampagnen nicht ersetzt, sondern erst ermöglicht. Wer hilft, diese einzuschätzen?
Claude Longchamp
Könnte ich in Bern wählen, so würde ich mich für den mir unbekannten Mark Jost entscheiden. Warum? Er scheint mir nach Deiner obigen Beschreibung flexibel und ist nicht stur auf ein Thema fixiert.
Aus dem gleichen Grund, eben nicht stur auf einem Thema rumhockend, erwärme ich mich je länger je mehr für die GLP.
Aber, was ich würde, wenn ich könnte, wolltest Du sicher nicht hören. Jost wird keine Chance haben, da sein Name und somit auch seine politische Meinung zu wenig präsent ist.
Gönnen würde ich es ihm, aber gleich wie ich schon vor Monaten sagte, dass die Waffen-Initiative abgelehnt wird, wird auch Herr Jost chancenlos bleiben.
@Ate
Wenn ich Ihren Aussagen höre, scheint mir, dass es heute nicht mehr gewünscht ist ein klare Profil zu haben. Ich widersetze mich vehement dieser Aussage. Wir brauchen in der Politik, Menschen die für Ihre Überzeugungen einstehen, aber auch fähig sind aufeinander zuzugehen. Für mich ist ein politisches Profil, das von allem ein wenig und nirgends wirklich, kein attraktives Profil. Daher geht meine Stimme klar an Christa Marwalder. Ihre liberale Politik überzeugt mich. Sie steht mutig zu ihren Positionen ist dabei jedoch stets eine Brückenbauerin.
@ Esseiva
Natürlich ist es wichtig, dass ein Politiker ein klares Profil hat, aber dieses Profil sollte sich nicht auf nur ein Themengebiet beschränken.
“Von allem ein wenig und nirgends wirklich”, so habe ich es mit Sicherheit nicht gemeint. Interessierte Vielseitigkeit bedeutet nicht, dass man sich nur oberflächlich mit Themen befasst, sondern dass man fähig ist sich nicht nur auf ein Thema zu versteifen, dass nämlich gibt dem gesamten Horizont einen trüben Blick.
Und wenn ich heute lese: “Die linken Parteien haben seit langem nur ein Ohr für frauenpolitische Anliegen; die bestehende Männerkrise nehmen sie nicht zur Kenntnis. Der frühere SP-Präsident Hans-Jürg Fehr hat die Männer gar aufgefordert, Feministen zu werden.” (Ging dabei um die Bewegung nach rechts unserer jungen Männer)
Das meinte ich mit meiner Aussage. Sich auch mit Interesse anderen Themen zuwenden, anstatt sich nur stur in ein Thema zu verbeissen und dabei vergessen, dass man mit seiner Ideologie die Schweiz nur noch durch einen Schleier sieht.
wenn Frauen aneinander vorbeireden … dann ist es gleich wie bei den meisten Politikern.
Der spider von smartvote hat nie eine Rubrik “Infrastruktur”. Das ist ein unverzeihbares Manko. Ein wesentlicher Teil der Staatsausgaben geht für den Strassenverkehr weg. In den Kantonen bezahlt man viel für Spitaler, und die Gemeinden tragen die Lasten für die Volksschulen.
Die aktuelle Pendlerdebatte zeigt, wie wichtig diese Fragen sind. Und erinnern mich jedes Mal, dass die Uebersichten von smartvote schick, aber nicht wirklich innovativ sind.
Wann endlich wird dieser Mangel behoben???
@Anna B.:
Infrastrukturfragen werden bei smartvote im Fragebogen ja berücksichtigt: Strassenverkehr, öffentlicher Verkehr, Gesundheitsinfrastruktur, Schulen,… Alles ein Thema!
Eine Dimension “Infrastruktur” beim Spider macht aber wenig Sinn! Denn es würde jegliche Information fehlen in welche Art von Infrastruktur ein Politiker investieren will oder eben nicht.
Die Infrastrukturfragen sind auf mehrere Dimensionen verteilt (z.B. Ausbau öffentlicher Verkehr bei “mehr Umweltschutz”.