Was ist los mit der SP?

Zugegeben, das Wahlbarometer ist “nur” eine Umfrage, “keine” Wahl. Doch schnitt die SP in keiner Umfragen so schlecht ab wie im jüngsten Wahlbarometer.

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Entwicklung der Wahlabsichten seit 2007 gemäss neuestem Wahlbarometer

18 Prozent Wähleranteil ist für die SP ein ausgesprochen schlechter Wert. Und das bei sinkendem Anteil von rotgrün insgesamt!

Die neueste Bilanz der WechselwählerInnen, wie sie aus dem 2. SRG SSR Wahlbarometer hervorgeht, zeigt zweierlei: Positiv ist, dass die SP mehr Neuwählende mobilisiert, als sie an die Nicht-WählerInnen verliert. Negativ fällt ins Gewicht, dass sie Wählende an die politische Mitte verliert: vor allem an die GLP, aber auch an die CVP und sogar an die BDP!

Die SP hat mit ihren Massnahmen nach den Wahlniederlagen der letzten Jahre noch nicht zum Erfolgspfad zurück gefunden. Der neuen Mobilisierungsstärke im rotgrünen mainstream steht eine ausgesprochene Bindungsschwäche bei sozial-liberalen und sozial-konservativen WählerInnen gegenüber.

Verbessert hat sich die SP nach 2007 in ihrem Themenauftritt. Die Partei ist im Parlament aktiver geworden, innovativer und frischer. Das empfiehlt sie als Regierungspartei. Gemäss Wahlbarometer kann sich die SP in Fragen der Sozial-, Gesundheits- und Arbeitsmarkpolitik sehr wohl auch über die jetzige Parteiwählerschaft hinaus empfehlen. In der Umweltpolitik stehen ihr indessen die verschiedenen grünen Parteien vor der Sonne. Keine zählbaren Ergebnisse lassen sich schliesslich aus der bisherigen Europa- und Migrationspolitik ableiten.

An der neuen Parteispitze liegt es nicht. Christian Levrat ist gemäss Wahlbarometer innerhalb und aushalb der Partei ähnlich gut verankert, wie die Präsidenten von Parteien, die zulegen. Levrat gelingt es jedoch nicht, den schweren Schleier über der Partei mit ausgesprochenem Links-Drall abzulegen. Der Programmparteitag von 2010 hat das für Medien und BürgerInnen in drastischer Weise sichtbar gemacht.

Die Erfolge im Jura und die Misserfolge im Berner Seeland zeigen, wie nahe die verschiedenen Politkulturen geografisch sind, wie unterschiedlich sie aber auf die Neupositionierung der Partei reagieren. Etwas vereinfacht kann man sagen: In der Romandie funktioniert der neue Kurs der Partei, vor allem in den ländlichen und kleinstädtischen Teilen der deutschsprachigen Schweiz wirkt er verheerend.

Von der vorherrschenden national(istisch)en Grundstimmung kann sich die SP keine Stimmen erhoffen. Mit dem Kopf durch die Wand gehen zu wollen, bringt aber auch nichts. In der gegenwärtigen Finanzsituation kann man einen Beitritt zur EU auch als SP nicht fordern, ohne die wahrscheinlichsten Zwischenschritte hierzu zu formulieren. Angesichts neuer Bedrohungslagen kann man auf die Armee nur verzichten, wenn alternative Sicherheitsangebote präsentiert. Und bei der laufenden Debatte über die Folgen der Migration unter den Bedingungen der Personenfreizügigkeit muss die Partei aktiv für Integrationskonzept einstehen.

Um es noch deutlicher zu sagen: Das prioritäre Thema der Schweizer BürgerInnen, aber auch der SP-WählerInnen ist die Ausländerfrage in all ihren Facetten. Da kann man nicht einfach schweigen.

Es ist der SP zu raten, ganz schnell und ganz massiv aufzuzeigen, wo sie als Regierungspartei auch nach den Wahlen 2011 aktiv sein will, wo sie pragmatisch zu handeln gedenkt, und wo sie Fehlentwicklungen aus linker Sicht blockieren will. Je klarer und deutlicher das erfolgt, umso grösser sind die Chancen noch, die erheblichen Wechselwählerverluste stoppen und damit die drohenden Wahlniederlagen 2011 abwenden zu können.

Die SP kann meines Erachtens auf ihrer neuen Themenstärke aufbauen. Sie kann ihre Mobilisierungskraft so noch verbessern. Das politische Vakuum mitte-links, das sie selber geschaffen hat, darf sie jedoch noch vergrössern, will sie elektoral nicht bestraft werden. Für die SP als Regierungspartei wäre das fatal!

Claude Longchamp