Demokratien vermessen – zu ihrer Kontrolle und zu ihrem Schutz

Zum fünften Mal in Serie hält die Demokratie-Stiftung “Freedom House” einen Rückgang der Zahl existierender Demokratien fest. Verringert hat sich auch der Anteil Staaten, deren Regime als frei gelten kann. Die Schweiz erscheint erstmals mit Kritikpunkten. Ein Verteidigung des Vermessens von Demokratien.

FIW2011Coverfinal(1)
Jahresbericht zur globalen Entwicklung der Demokratie

Vordergründung hat die Schweiz kein Problem: Die Forscher von “Freedom House” zweifeln nicht daran, dass unser politisches System frei und demokratisch ist. Im Zeitvergleich 2007-2011 halten sie aber einen Rückgang der Demokratiequalität fest. Entscheidend sind für die Autoren neue Trends bei Volksabstimmungen. So waren mit der Minaretts-Initiative die Grundrecht für Muslime tangiert, und die Forderung nach dem Bauverbot für Minarett steht heute in der Verfassung. Zudem, schreibt der Bericht, ist die Schweiz mit der SVP die Heimat der weltweit erfolgreichsten Anti-Immigrations-Partei.

Trotz dieser schwachen Kritik stellt die Schweiz, wie die meisten westeuropäischen Staaten, kein Schwerpunktsland der Berichterstattung der amerikanischen Demorkatie-Stiftung dar. Wichtiger sind die Entwicklung in zerfallenden Demokratien. So ist die Zahl der Demokratien in den letzten 15 Jahren von 123 auf 115 zurückgangen. 87 Staaten stufen die Forscher heute als frei ein. 60 Staaten seien “teilweise frei”, 47 “unfrei”. Auch hier ist der Trend seit einigen Jahren negativ.

Um den Freiheitsgrad zu messen, verwendet “Freedom House” ein Set an Indikatoren. Die Kriterienliste umfasst die Fairness von Wahlprozessen, den politischen Pluralismus, den Grad von Regierungskorruption, die Rede-, Glaubens-, Versammlungs- und Organisationsfreiheit sowie die Unabhängigkeit der Justiz. Diese Muster lehnt sich stärker an die amerikanischen Demorkatievorstellungen an, als dies in anderen Indices der Fall ist. Das führt im Einzelfall zu anders lautenden Bewertungen, insgesamt aber zu einem vergleichbaren Schluss.

Als generellen Trend bezeichnen die Forscher von “Freedom House” zurecht das Ansteigen autoritärer Tendenzen in der Politik. Diese entwickelten sich immer ungehinderter von der internationalen Meinung und würden in den betroffenen Staaten immer aggressivere Tendenzen annehmen. Man soll gerade mit Hilfe solcher Instrumente Augenmass behalten, was sich ändert, aber auch aufmerksam sein, für das, was sich im Grossen und Kleinen verbessert oder verschlechtert.

Anders als die WOZ es diese Woche tat, halte ich das Vermessen von Demorkatie gerade nicht für vermessen. Abgeschafft wird sie nicht durch Monitore wie demjenigen von Freedom House, sondern durch antidemokratische politischer Kräfte, die man unerkannt gewähren lässt.

Claude Longchamp