Wahlfälschungen im Kanton Glarus nicht mehr auszuschliessen

Wenn sie stimmt, ist sie die unrühmlichste Geschichte zur direkten Demokratie: Am Wochenende berichtete der Bund über mögliche Wahlfälschungen, die durch nachlässig kontrollierte Stellvertretungen bei der Stimmabgabe ermöglicht werden.

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Landrat in Glarus: gut 20 Prozent der Wahlzettel könnten missbräuchlich ausgefüllt worden sein.

Nachdem bei den letzten kantonalen Wahlen im Kanton Glarus eine Beschwerde über Manipulation der Ergebnisse eingegangen war, wurde das Forensische Institut Zürich mit den Abklärungen der Problematik beauftragt.

Ergebnis: 382 von 1803 untersuchten Wahlzettel zeigen Anhaltspunkte, dass Personen mehr als nur einmal gewählt haben. Ende erstes Quartal 2011 erwartet man den Bericht über das effektive Ausmass der Wahlfälschung. Sitzverschiebungen im Kantonsparlament werden nicht mehr ausgeschlossen.

In Glarus darf ein(e) Wahlberechtigte(r) bis zu drei Wahlzettel abgeben. Doch anders als in Kantonen wie Zürich, Schaffhausen, Thurgau, Appenzell, Aargau oder Solothurn, wo Stellvertretungen ebenfalls zugelassen sind, müssen die verschiedenen Wahlzettel nicht unterschrieben sein.

Dieses Privileg scheint Wahlfälschungen in grösserem Masse zuzulassen. Dafür spricht, dass ähnliche Handschriften nur in zwei- oder dreifacher Ausführung ausfindig gemacht werden konnten. Aufsummiert sind gut 20 Prozent der Wahlzettel möglicherweise gefälscht.

Interessant ist, dass dieses Thema gerade jetzt auftaucht, wo mit der BDP eine neue Partei entstanden ist. Das lässt auch Spekulationen zu, dass bisheriges Wissen über Missbräuche, die in Kleingesellschaft aber unter dem Deckel gehalten werden können, nun ganz bewusst aufgedeckt worden ist.

Die Glarner Regierung jedenfalls hat das Problem jetzt schon erkannt. Sie will deshalb missbräuchliche “Botengänge” an die Urne oder zur Post inskünftig verbieten.

Damit wird ein Thema aufgeworfen, das am Grundsatz der Demokratie rührt: Wie klar ist der Grundsatz verwirklicht, dass jede Person mit der gleichen einen Stimme gezählt wird? Gerade in der Schweiz, wo Wahlbeteiligung von 50 Prozent als hoch gelten, ist mit dieser Frage nicht zu spassen. Denn der Handel mit Wahlmaterial kennt grosse Spielräume, wenn die eine Hälfte wählt, der anderen das egal ist.

Immer wieder aufgeworfen wird die Problematik, dass gerade in traditionellen Familien der Mann mit der Einführung des Frauenstimm- und wahlrechts mehrfach wählt. Hinweise gibt es auch, dass unter Jugendlichen, die politisch nicht sehr interessiert sind, Stimm- und Wahlzettel herumgereicht werden.

Die beste Kontrolle hierfür nennt das Bundesgesetz: Die eigenthändige Unterschrift unter den Wahlrechtsausweis, die von allen aus von Behinderten ohne Schreibfähigkeit verlangt werden muss. Die zweitbeste ergibt sich aus der Praxis in Wahlbüros, wenn Stimmenzähler ihre Arbeit seriös machen.

Letzteres wird wegen dem Personalmangel beim Auszähler immer lückenhafter. Grosszügige Ausnahme von der Unterschriftenpflicht wie im Kanton Glarus werden damit immer unverständlicher.

Claude Longchamp