Die Dynamik der Stimmbeteiligung im Kanton Genf

Manchenorts spekuliert man über die Entwicklung der Stimmbeteiligung vor einer Volksabstimmung. In Kanton Genf ist alles ziemlich transparent. Interessant, aber auch nicht unbedenklich.

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Die Grafik zeigt, wie sich die Stimmbeteiligung im Kanton Genf vor der aktuellen Volksabstimmung am 28. November 2010 Tag für Tag entwickelte.

Spätestens am Donnerstag abend erhalte ich jeweils Hinweise, wie sich die Stimmbeteiligung in Gemeinde und Städten entwickeln könnte. Viel anfangen kann man damit meist nicht. Denn die Informationen sind in der Regel nicht kontrollierbar, und kommen auch nicht immer aus den gleichen Orten. So hat man zwar ein Kaleidoskop von Eindrücken, aber nicht mehr.

Ganz andere Wege geht seit einiger Zeit der Kanton Genf. Wenn das Wahlmateriale verschickt ist, und die Bulletins zurückkehren, zählt man jeden Tag aus, und die Ergebnisse zur Beteiligung werden alle 24 Stunden auf Internet aufdatiert – ganz offiziell.

Bei der aktuellen Abstimmung haben gestern nachmittag 48 Prozent ihre Stimme abgegeben gehabt. Am letzten Abstimmungswochenende waren es zur vergleichbaren Zeit 39, und beim vorletzten 43. Die Schlussmobilisierung in den beiden letzten Tagen bracht am 7. März noch 7 Prozent an die Urne, am 26. September noch 3. Uebertragen auf das kommende Abstimmungswochenende ergäbe das eine Beteiligung von 51-55 Prozent.

Für Genfer Verhältnisse zeichnet sich damit an diesem Wochenende eine hohe Beteiligung ab, die auch über dem langjährigen Mittel in der Rhone-Republik liegt.

Zudem legt diese Statistik nahe, dass bei Weitem nicht alle, sofort Stimmen gegangen sind, nachdem sie die Stimmunterlagen erhalten haben. In der zweiten Woche gingen am wenigsten, in der ersten etwa ein Drittel, und in der letzten könnte die Wochenbeteiligung die höchste werden.

Ob das verallgemeinert werden kann, ist noch etwas offen. Der Genfer Schnitt liegt seit Jahren über dem schweizerischen. In den beiden letzten Jahren betrug die Differenz 3-4 Prozent. Das wäre das ein Hinweise darauf, dass die Stimmbeteiligung auch gesamtschweizerisch hoch sein dürfte.

So spannend ich diese Datenquelle auch finde: Unproblematisch erscheint sie mir gerade in der letzuten Woche der Mobilisierung nicht. Denn nur solange es keinen Zusammenhang gibt zwischen Mobilisierung und Ausgang der Entscheidungen, sind das neutrale Abstimmungsinformationen. Wenn das aber nicht der Fall ist, gibt es auch Hinweise auf bevor- und benachteilte Akteure bei den einzelnen Entscheidungen.

Claude Longchamp