Supinos Konter gegen Imhof

Pietro Supino, Verleger der Tamedia AG, kontert die Kritiken an der Qualität der Medien, wie sie beispielsweise Kurt Imhof diesen Sommer prominent vorgetragen hat.

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Pietro Supino, Verleger der Tamedia AG, antwortet Kurt Imhof, Mediensoziologe an der Uni Zürich, in einer bisweilen persönlich gehaltenen Entgegnung.

“Medien spielen in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle. Es ist deshalb begrüssenswert, wenn über Fragen der Qualität debattiert wird. Die Vorstellungen darüber, was Qualität ausmacht, gehen allerdings weit auseinander”, schreibt Pietro Supino im Magazin seiner Zeitungen in Zürich und Bern. Wahrhaftigkeit, Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Fairness zählen für ihn generell dazu. Darüber hinaus liessen sich die verschiedenen Mediengattungen zurecht von anderen Qualitätskriterien leiten. Diese erarbeiteten sie gemeinsam intern mit ihren Redaktionen, und institutionalisierten externen Vertretern der Qualitätssicherung.

Analysen, wie die von Kurt Imhof und seinen MitarbeiterInnen am fög, die diesen Sommer in Buchform erschienen sind, hält Supino für unnötig. Da wurden namentlich die online-Medien und die Pendlerzeitungen kritisiert. Der Tamedia-Verleger hält nun dagegen: sachlich überzogen und wissenschaftlich fragwürdig ist sein Antwort. Grund: Die Mediennutzung, ihre Konstanten und ihre Veränderungen, seien nicht hinreichend erfasst worden, weshalb man die Neuerungen in der Medienwelt auch nicht richtig verstanden würden.

Deshalb schlägt für Supino auch der lautstarke Alarm ins Leere, Demokratie könne nur funktionieren, wenn in den Medien ein rationaler Diskurs über die gemeinsam zu lösenden Probleme stattfinde. Hier kontert er unmissverständlich: Das sei Unsinn, und ärgerlich dazu, heisst der Gegenschlag. “Für die Gesellschaft entscheidend ist etwas anderes – nämlich die Frage, ob das Angebot insgesamt genügt, damit die Medien ihre Forums-, Kontroll- und Integrationsfunktion erfüllen können.” Und genau das sieht Supino, mit Verweis auf politologische Studien (unter anderem auch von mir) nicht in Frage gestellt.

Selber plädiert der Verleger für mehr Gelassenheit gegenüber neuen Medien, denen gebildete Oberschichten seit jeher zu skeptisch begegnet seien. Selbstkritisch merkt er an, dem Aktualitätsdruck sollte man nicht immer gleich alles unterordnen. Bei der Auswahl von Themen und Köpfen könnte man mutiger werden. Personalisierung, Skandalisierung und Zuspitzungen ärgerten auch ihn gelegentlich.

Die eigentliche Problematik ortet Supino jedoch weder bei der Gratiskultur der neuen Medien und den Folgen für die etablierten Medien. Vielmehr klagt er die PR-Industrie an, die ihre Mittelgeber und wahren Interessen anonym halten, gleichzeitig aber rasch an Definitionsmacht gewinnen und in unverhältnismässiger Grösse gegen verkleinerte Redaktionen antreten würde.

Immerhin, an dieser Stelle kommen sich Supino und Imhof etwas näher. Der Journalismus brauche wirtschaftlich starke Medienhäuser, heisst es im Magazin – um sich gleich auch wieder vom Widersacher abzusetzen: Qualität sichere man nicht mit mehr Stellen im Journalismus, sondern mit mehr intelligenten Kooperationen, wie sie beispielsweise die Tamedia anstrebe.

Die Auseinandersetzung, die man sich hüben und drüben wünscht, ist eröffnet: über zutreffende Diagnosen, wahrscheinliche Ursachen und geeignete Vorschläge für Verbesserungen – auch via Blogosphäre, die das Magazin einen Ort der Debatte im klassischen Sinne der Aufklärung nennt, auch wenn es nicht immer ganz gelinge. Beweisen sie hier und jetzt das Gegenteil.

Claude Longchamp