Die Wahlanalyse der anderen Art

Wiens WählerInnen haben gesprochen. Die PolitikerInnen der Parteien müssen sich raufen. Und die WahlanalytikerInnen helfen ihnen dabei. Jede(r) auf seine/ihre Art. Gerne füge ich mein Vexierspiel aus Zahlen und Bildern bei.

Andrea Maria Dusl ist ausgebildete Medizinerin. Das hilft ihr, die menschliche Physiognomie zu studieren. Zudem ist sie erfolgreiche Filmemacherin. Das schärft ihr Auge für das Gesellschaftliche im Individuum. Mit diesem Hintergrund betätigte sie sich im Wiener Wahlkampf als Zeichnerin für den Standard und erfand eine eigene WählerInnen-Typologie von links bis rechts, die in so herrlichem Kontrast zu den Parteiprofilen des Sozialforschers Christoph Hofinger steht.

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Auch bei dieser Wahl waren Wiens Kommunisten nicht wirklich erfolgreich. Im ganz tiefen einstelligen Prozentbereich blieben sie hängen. SORA sagt, selbst 98 Prozent der von der Wirtschaftskrise Betroffenen hätten sie nicht gewählt. Dusl weiss Rat: Gewählt werden die K. nur noch von alternden Männern, die ihr Kapital nicht investieren, dafür gelesen haben und sich gerne dahinter verstecken. – Die Sozis wiederum, bis dem Ende der Monarchie in der österreichischen Hauptstadt alleine regierend, müssen sich neu ausrichten: Könnten nur die Arbeiter im Gemeindebau, die MigrantInnen oder die Frauen wählen, hätten sie unverändert die Absolute. Diese ist ihnen aber bei den Männern deutlich abhanden gekommen – und bei den Jungen ganz besonders. Den roten Kübel für die kleinen Sorgen der WienerInnen hinstellen, macht keinen Staat mehr, sagt die Andrea, insbesondere nicht, wenn man die Faust im Sack behält, statt mit ihr zu kämpfen!

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Ist mannfrau jung, studiert und in einer Nische selbstständig, hat man höchstwahrscheinlich grünes Blut, wissen die Wahlforscher. Die Karikaturistin sieht das wie erwartet anders: Den grünen Daumen hat fraumann, wenn das Haar brennnesselgespühlt silbern ist und die Kleider ihre Dritt- und Viertverwertung erleben. Grüne Erfolge in der Politik bleiben indessen schwierig, denn der Spaltpilz sprengt jeden Blumentopf im politischen Vorgarten. – “Ueberall ein wenig, nirgends viel”, das sagt die Statistik zur Soziologie der OeVP-Wählenden. Und das trotz markigem Law&Order-Wahlkampf der Parteiobern. Dr. Dusl diagnostiziert die gleiche Schwäche: Das erzbischöflich apporbierte Innenstadt-Decolleté der Schwarz-Wählerinnen schreit nach einem raschen Redesign, bevor es von der Jury auch nur eine Stimme kriegt.

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Endlich wissen wir, was den Siegertyp ausmacht: “Dreibier und Freibier”, ist der win/win-Slogan der FPOe. Am rechten Arm trägt ihre Wähler wie HC, ihr neues Vorbild, ein Bandl und am Gurt ein Bärli. Sonst ist alles konform. Am häufigsten findet man ihn bei den Arbeitern, bei den Pensionisten, überhaupt bei den Männern, die nie zur Kirche gehen, aber überzeugt gegen den Islam sind. – Damit stand der Normalo seinem kleinen Bruder von der BZOe vor dem Zugang zur Strasse des Erfolgs. Frau Dusl vermutet hinter der Kaum-Mehr-Partei am rechten Rand elegant-legär gekleidete Typen, die stets ihren Esowellenempfänger bei sich haben, um mit Jörg Haider in Kontakt zu bleiben. Da schüttelt es die SORA-Wahlforscher kräftig, denn gefunden haben sie den Finanzplatz-Macho nicht, ausser bei 6 Prozent der Menschen, die nichterwerbstätig sind und zu Hause hocken.

So bleibt Wien Wien. Oder wie es mein Mentor Erich Gruner zu sagen pflegte: Die Lage ist ernst, aber nicht aussichtslos, denken die Politiker, während die Wähler wissen, dass sie aussichtslos, aber nicht wirklich ernst ist …

Claude Longchamp