Zeugnisse für BundesratskandidatInnen

Der “Stern” macht es kürzlich vor. Er stellte den BewerberInnen für ein Spitzenamt in der deutschen Politik ein Zeugnis aus. Das beflügelte die Redaktion des Migros-Magazins, bei den anstehenden Bundesratswahlen es gleich zu tun.

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Reporterin Sabine Lüthi fragte mich an, eine Zeugnis für die sechs offiziellen KandidatInnen der SP, der FDP, der SVP und der Grünen bei den anstehenden Bundesratswahlen zu verfassen. Nach nur kurzem Zögern willigte ich ein, denn Personenbeurteilungen sind eigentlich kaum mein Ding.

Mir war wichtig, dass die Kriterien nicht nur auf den Stil gerichtet waren. Die politische Position und die Themenschwerpunkte sollten ebenso gewichtet werden.

Informiert habe ich mich gleich wie sonst. Einzig ist alles etwas genauer erfolgt. Gesammelt habe ich alle Ratings, sei es um Französischkenntnisse oder Vorstösse im Parlament gegangen. Sie flossen in meine Meinungsbildung mitein. Gelesen habe ich zudem die wichtigsten Porträts in den Zeitung, und gefragt habe ich Leute im und rund um Parlament – sowie meine BürokollegInnen vom gfs.bern.

Vor einer Woche musste ich mich festlegen. Die Ergebnisse der Hearings schimmtern noch knapp mit hin, doch was danach geschah, beeinflusste das Bild nicht.

Vier KandidatInnen halte ich für absolut geeignet, Bundesrätin oder Bundesrat zu werden. Hier meine spontane Kurzfassung der wichtigsten Empfehlungen – und die zentralen Hinderungsgründe.

. Simonetta Sommaruga halte ich für eine sehr starke PolitikerIn, welche mit ihrer Popularität dem angeschlagenen Bundesrat gut tun würde. Wir sie nicht gewählt, bleibt der Eindruck, der Neid der anderen PolitikerInnen habe den Ausschlag gegeben.
. Jacqueline Fehr wäre als profilierteste Familienpolitikerin im Parlament eine fachliche Verstärkung in der Bundesregierung. Eine Nicht-Wahl hätte wohl auch mit den etwas unklaren finanziellen Verhältnissen in ihren Ehe zu tun, die in Auflösung ist.
. Karin Keller-Sutter hat mich im Wahlkampf am meisten positiv überrascht; mit ihrem souveränen Auftritt ist sie so oder so ein Versprechen für die Zukunft. Bei einer Nicht-Wahl gehe ich davon aus, dass sie bald als Ständerätin nach Bern fährt und vorteilhaft politisieren wird.
. Johann Schneider-Ammann ist ein guter Kenner der Wirtschaftsbeziehungen im In- und Ausland, welche die Handlungsfähigkeit des Bundesrates stärken könnte. Setzt er sich nicht durch, ist es wohl ein Zeichen, dass meine Generation PolitikerInnen nun die Geschicke der Schweiz führen will.

Sollte es fünf Frauen im Bundesrat nicht ertragen, fände ich das kein gutes Argument bei den Wahlen. Denn wir bekommen diesmal etwas 2 ZürcherInnen, 2 BernerInnen, 3 Welsche oder 5 Frauen. Und: Quoten zu ihren Gunsten wollte man nie – so sollte man auch keine Quoten zu ihren Ungunsten einführen.

Hier geht es zu den Zeugnissen im Detail.

Claude Longchamp