Die Reformdiskussion zur schweizerischen Demokratie geht weiter. Der führende Publizist Roger de Weck äussert sich in einem grossen “swissinfo”-Interview zu Stärken und Schwächen der politischen Kultur der Schweiz. Sein genereller Befund: “Wir haben in der Schweiz eine starke Demokratie, aber einen schwachen Rechtsstaat.”
Roger de Weck kritisiert den ungebrochenen Rechtspopulismus in der Schweiz
Ausgangspunkt der Analyse von Roger de Weck ist der Rechtspopulismus. Dieser funktioniere überall nach dem Grundmuster, nur ein starken Mann könne das Land vor dem Niedergang retten.
Diese Rolle nehme in der Schweiz seit Jahren Christoph Blocher ein; es sei davon auszugehen, dass das anhalten werde, etwa wenn Blocher Präsident der Zürcher SVP werde. Unabhängig davon finanziere Blocher politische Kampagnen mit schätzungsweise 10 bis 12 Millionen Schweizer Franken im Jahr. Diese würden durch boulevardisierte Medien verstärkt, die Konfliktdiskussionen solchen über Lösungen vorziehen und Emotionen über Sachfragen stellen würden.
Weil die Schweiz keine Nation ist, sei der Bezug zum Volk für den hiesigen Rechtspopulismus konstitutiv. Das zeige sich im rechten Selbstverständnis von direkten Demokratie. Initiativen aus diesem Lager seien teilweise menschenrechtswidrig; mit Kampagnen appeliere man an rassistische Gefühle.
Roger de Weck spricht aufgrund dieser Analyse einer Modernisierung der Insitutionen das Wort, die auf die folgenden Punkte ziele müsse:
. Gleichwertigkeit von Rechtsstaat und Demokratie
. Verbesserter Schutz der Grundrechte
. Neudefinition der Konkordanz als minimale Uebereinstimmung in solch generellen Fragen
. Verteilung von Regierungssitzen unter Parteien, die entsprechende Uebereinstimmung gefunden haben
. Transparenz in der Kampagnenfinanzierung, insbesondere vor Volksabstimmungen
Die Analyse und Folgerungen von de Weck stehen in einem gewissen Gegensatz zu den Reformvorschlägen, die Andreas Auer diese Woche mit der Volks- statt Parlamentswahl des Bundesrates lanciert hat. Nicht mehr unmittelbare Demokratie brauche die Schweiz, empfiehlt der führende Schweizer Publizist, sondern mehr Schutz der Grundrechte aller, auch der Nicht-SchweizerInnen. Entsprechend kritisiert de Weck, die schwache Ausprägung des rechtstaatlichen Denken bei stark vorhandenem Demokratie-Bewusstsein.
“Unsere Gründerväter haben bewusst nicht alles und jedes dem Volk überlassen. Wenn eine absolute Volksherrschaft, ein demokratischer Absolutismus herrschen würde, würden die Minderheiten überfahren. Unser politisches System wollte das verhindern. Die Populisten, die sich auf die schweizerischen Werte berufen, ignorieren diese wertvolle Schweizer Tradition.”
Claude Longchamp
Spätestens beim “führenden Puplizisten Roger de Weck” war klar, dass der Zweck des Artikels nur Schindluderei sein kann.
Guten Abend Kritiker.
Eigentlich nicht, den Artikel schrieb ich, weil der Standpunkt von de Weck pointiert ist, aber eine Erweiterung der laufenden Diskussion darstellt. So habe ich auch den Vorschlag von Andreas Auer mit der Volkswahl des Bundesrates aufgenommen.
Meine Hoffnung ist, dass sich Kritiker zur Sache melden, argumentieren und so auch die politische Kultur in der Blogospäre entwickeln, statt Emotionen freien Lauf zu lassen und anderen etwas zu unterstellen.
Ich verstehe das durchaus als Einladung zur Diskussion.
De Weck hat nicht verstanden, oder will nicht verstehen, dass wir Stimmbürger über unsere eigene Staatsform selbst bestimmen können und wollen, mit allen Nachteilen und den überwiegenden Vorteilen.
Das Schlagwort “Rechtsstaat” wird gerne von Linkspopulisten ins Felde geführt wenn es darum geht Volksrechte zu beschneiden. Ja, wer wird denn schon gegen “Recht und Ordnung” sein? Doch was diesen Linkspopulisten unter Rechtsstaat vorschwebt ist nicht geringeres als eine Oligarchie von studiereten Juristen.
Tut mir lied Herr de Weck, wenn Sie die Zeiten zurück sehnen wo ihr “de” noch etwas wert war, müssen sie wohl in die EU auswandern. Nicht mir uns Schweizern!
Danke für den Beitrag, vorert eine Präzisierung: Die de Wecks gehörten in Fribourg tatsächlich zur reaktionären patrizischen Oberschicht als der Bundesstaat gegründet wurde. Sie wurden deshalb auch eingekerkert. Doch haben sie sich eine Generation später in den Bundesstaat integriert, und sind sie heute im Banken- und Medienwesen führend tätig. Einen direkten Bezug zwischen den “de” und den heute vertretenen Ideen scheint mir arg verkürzt.
Der Rest ist der kritischen Diskussion durchaus würdig!
Ich bin sehr froh um den Beitrag zur Debatte von de Weck und andern, die ja auf verschiedenen Ebenen intensiv geführt wird. Ich befürchte aber, dass solange der Unterricht in Staatskunde, aus diversen Gründen, sich auf das Prinzip “Demokratie” beschränkt, sich nicht allzuviel ändern kann. Da die Rechtspopuliten den Leuten den “Rechtsstaat” als Juristenstaat verkaufen. Ich habe mal mit einer Gruppe Jugendlicher ein Experiment gemacht. Nachdem wir über eine Straftat, die gerade aktuell war und die Jugendlichen sehr beschäftige, forderten sie für den Täter die Todesstrafe.
Wir spielten das Spiel “Demokratie”. Nachdem 90% für die Tötung des Verbrechers gestimmt hatten, ging der Prozess erst los.
1. Gemäss unserer Verfassung, Strafrecht etc. können wir das Urteil nicht vollziehen. Aha. Wie ändert man Gesetze und Verfassungsartikel. aha. Dann später das korrekte juristische Verfahren. Der Täter hat Anspruch auf einen Verteidiger. etc.
Welchen Sinn haben Verfassung und Gesetze. Der Schutz vor Willkür etc.
Solche fundamentalen Kentnisse sind leider vielen (nicht bloss Jugendlichen) irgendwie fremd. Wir sind die Mehrheit, das bedeutet für sie Demokratie. Basta.
Ich plädiere deshalb auch für einen fundierten Staatskundeunterricht. Es braucht in drigender den je.
Guten Abend cal
Zeugt es denn nicht gerade von einer besonders hohen Qualität politischer Kultur, Kritik in einem einzigen Satz auf den Punkt zu bringen? Den Protagonisten, mehrfach gescheiterter Chefredaktor, als “führenden Puplizisten” vorzustellen, entspricht einem Werturteil, das etwas Bestimmtes suggerieren soll. Dies zu kritisieren, war meine Absicht und zwar im Vollbesitz all meiner geistigen Kräfte. Dies als den “Emotionen freien Lauf zu lassen und anderen etwas zu unterstellen” abzutun, ist denn auch nicht unbedingt jene Art mit Kritik umzugehen, die einen eloquenten Disputanten auszeichnet.
Ich störe ja nicht gerne, Kritiker. Aber bedenken Sie, auch Herr Köppel wird in gewissen Kreisen, als “führenden Puplizisten” bezeichnet. Diese wähnen sich auch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Alles eine Frage der Perspektive halt.
Ob eloquent oder nicht: Mich interessiert der inhaltliche Disput. Auch der Ihre wäre hier wohl sehr willkommen. Denk ich mal.
at Kritiker
Zur Präzisierung: Schindluderei als Zweck des Bloggen zu unterstellen, ist eine emotionale Reaktion auf ein Diskussionsangebot.
Mehr braucht man dazu nicht mehr zu sagen.
Dennoch, das inhaltliche Diskussionsangebot gilt. Argumente und Begründungen jeder Länge sind willkommen. Polemiken brauche ich hier nicht.
ok, es war ziemlich verkürzt und provokativ, weshalb man es auch in den falschen Hals kriegen kann, das gebe ich zu. Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, mit der Bezeichnung von Herrn de Weck als “führenden Publizisten” bereits im Vorspann werde der von diesem geäusserten Meinung vorauseilend ein gewisses Gütesiegel verliehen, daraufhin sich eine inhaltliche Diskussion erübrigt, weil das Resultat sozusagen präjudiziert sei. Wenn Sie das als Poltmik ansehen – feel free to press delete.
feel free to comment gthe mistake in roger’s argument!
Herr de Weck sagt unter anderem: “Was das bisherige politische Spiel in der Schweiz geprägt hat, ist die Konkordanz. Dieses lateinische Wort bedeutet Übereinstimmung.” Um diese Übereinstimmung dann wie folgt zu definieren: “Wenn es ein Mindestmass an Übereinstimmung gibt, einigt man sich auf eine Verteilung der sieben Sitze der kollegialen Regierung.”
Das ist natürlich Mumpitz. Weder bei der Einbindung der KK, noch dem BGB, noch der SP war ein Mindestmass an Übereinstimmung Grund oder Voraussetzung. Vielmehr ging es darum, nach anfänglicher Scheu und ein paar Jahren des Abwartens – und auch der Machtdemonstration selbstverständlich – eine politische Kraft ins System einzubinden. Die überaus intelligenten Liberalen wissen seit je her haargenau, dass wer an der Macht teilhat, korrumpiert wird. Getreu dem Ausspruch des grossen Baron Actons selig, der schon vor über 150 Jahren feststellte: “Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.”
“Übereinstimmung” ist so zu verstehen, dass die Zusammensetzung des Bundesrates einigermassen übereinstimmt mit den Kräften im Parlament. Mindestens den grössten paar. Also eine Art “Proporz der Dominanten”.
Nun ist das ja gerade der Trick von Hardcore-Linksbünzlis wie diesem de Weck, dass sie notorisch versuchen, über solch demagogische Umdeutungen im Volk Mehrheiten für ihre Ideen herzustellen. Da haben wir nun also doch schon einige Jahre Erfahrung, auf dass wir uns nicht immer und immer wieder darüber unterhalten wollen, sondern es auch einfach mal mit einer simplen Verkürzung gerade sein lassen.
Mit der seit acht Jahren gültigen Verfassung wurde wieder einmal Ordnung in diesem “Flickwerk” geschaffen, jedoch ohne die Grundlagen zu schaffen, dass daran nicht weiter “rumgebastelt” wird.
Damit stelle ich nicht den Inhalt und den Entscheid über eine Volksinitativen in Fragen, sondern den Ort, an welchem sie ihren Platz finden. Art. 123a als Folge der Verwahrungsinitiative gehört wohl eher ins Strafgesetzbuch und nicht in die Verfassung – um ein Beispiel zu nennen.
Genauso wie das Parlament dem Bundesrat Aufträge erteilt, müsste man sich fragen, ob man mit einer angenommenen Volksinitiative (zustande gekommen mit 100’000 Unterschriften) nicht vielmehr Bundesrat und Parlament den Auftrag erteilen will, ein neues Gesetz im Sinne der Initative zu schaffen oder ein bestehendes Gesetz zu erweitern oder zu ändern – statt immerzu gleich die Bundesverfassung zu ändern und diese zu einem Flickwerk verkommen zu lassen.
Letzteres soll trotzdem möglich sein, so z. B. indem über eine Volksinitative abgestimmt wird, welche mit 500’000 Unterschriften zustande kommt.
Wenn Sie gestatten kritiker: Ob sie hier nicht selber einer fatalen “Begriffsverwirrung” unterliegen.
Es scheint mir, Sie verwechseln den landläufigen Begriff der “Zauberformel” und deren Entwicklung mit dem, von arithemtischen und/oder Proporz unabhängigen Begriff der Konkordanz.
Mal angenommen, es gäbe eine 15% Anarchopartei. Gemäss der Logik des “Proporz der Dominanten” würde dieser, früher oder später, ein Sitz in der Regierung “zustehen”.
Die Konkordanz, also die Uebereinstimmung, wäre aber in diesem Fall, eben nicht möglich oder gegeben. (Verständnis und Verhältnis zum Rechtsstaat)
In der letzten Woche ist der Begriff “Konkordanz” von allen Seiten über alle Massen strapaziert worden.
Insbesondere von den “Rechtsbünzlis”, die ihn gar an Personen “aufhängen” wollten. Eine unglaubliche Verkürzung.
(Um es auch mal mit einer simplen Verkürzung gerade sein zu lassen.)
Zuerst mal dies: Ich habe mein “Pseudo” ganz bewusst ausgewählt. Es ist sozusgan Teil eines Experimentes. Es hätte auch Recordon sein können.
Aber zurück zur Debatte. Die leider nicht stattfindet:
Ich spitze die Frage, was Konkordanz ist und wann wie allenfalls geborchen wird, etwas zu:
Die Schweizerische Konkordanzdemokratie: Eine Mischung aus Proporz und inhaltlicher Uebereinstimmung bezügliche fundamentaler Werte oder Grundhaltungen. (Demokratie – Rechtsstaat)
Die SVP drohte und monierte, würden weder die von ihr nominierten Kandidaten gewählt, dann wäre das ein “Bruch der Konkordanz”
Ich halte dagegen und spitze zu : die SVP, die mittels ihrer Statutenänderung, (die dazu diente, intern zu disziplinieren und die Bundesversammlung gleichermassen zu “erpressen” ) die Konkordanz bereits gebrochen. Sie hat, mittels ihrer Statuten die verfassungsgegebene Wahlfreiheit des Bundesvesrsmmlung (sozusagen mit einem anarchischen Akt) ausgehebelt.
Sie hat eine der grundlegenden “Uebereinstimmungen”, das Primat der Verfassung, als ungültig erklärt und ihre Statuten an deren Stelle gesetzt.
Ich wüsste nicht, wie man einen Bruch mit der Konkordanz anschaulicher verdeutlichen könnte!
Diese Debatte gilt es wirklich zu führen. Die Tendenz der SVP, Rechtstaat und Demokratie auf ihre eigene, mit Verlaub “Rechtsbünzlige” Weise zu interpretieren und allenfalls zu untergraben, ist im Auge zu behalten.
Eine weiter Wahl unter dem Primat der Statuten der SVP darf nicht stattfinden.
Natürlich würde den Anarchisten, so sie den 15% erreichen, irgendwann mal ein Sitz zustehen. Nur würden Anarchisten diesen nicht begehren wollen. Soviel zur Stringenz Ihrer Argumente.
ich hätte auch faschisten als beispiel nehmen können.
aber ich sehe ein, ihnen ist der begriff (abgesehen vom proporzgedanken) immer noch sehr fremd. damit sind sie in guter gesellschaft. das wird sich ändern. es braucht halt alles etwas zeit. wir sind zum ersten mal (seit dem 2.weltkrieg) mit einer partei konfrontiert, deren anspruch (proporz) legitim ist, die sich aber gleichzeitig zunehmend als “konkordanzunwillig” zu erkennen gibt. nicht bloss über ihre statuten.
Dialektische Umdeutungen sind halt nicht so mein Ding. Da kann die vom Hüttenwart gewünschte Diskussion halt nicht stattfinden, sorry!
Übrigens, Samichlous, glauben Sie wirklich, dass bei einer Konkordanz nach Ihrer Deutung eine Partei, welche die Überwindung des Kapitalismus in ihrem Parteiprogramm führt, Teil der Übereinstimmung sein könnte? Ich nicht.