Die Schweiz ist das 25. Land des Schengener Abkommens

In den meisten Europa-Fragen ist die Schweiz ein Sonderfall. So fällt sie auf Europa-Karten immer auf. Nichts davon sieht man indessen, wenn der Schengener-Raum abgebildet ist. Denn unser Land ist seit gestern das 25. Vollmitglied des Abkommens. Ein kurzer Rückblick der Entstehungsgeschichte.


Schengen-Raum heute (Quelle: wikipedia)

Die Abschaffung der Binnengrenzen

1985 starteten 5 EU-Staaten mit der Abschaffung der Binnengrenzen. Zwischenzeitlich sind 22 der 27 EU-Staaten Teil des Schengen-Raumes. Norwegen, Island sowie Schweiz gehören als Nicht-EU-Mitglieder ebenfalls dazu.

Das Schengener Abkommen regelt drei Bereiche: die Sicherheits-, Visums- und Asylzusammenarbeit. Einreisebstimmungen sind im Schengen-Raum vereinheitlicht. Mehrfache Asylgesuche in den verschiedenen Mitgliedstaaten sind ausgeschlossen. Und die gemeinsame Sicherheit wird durch verstärkten Kontrollen der EU-Aussengrenzen gewährleistet. In Ausnahmefällen können Personenkontrollen an den Binnengrenzen wieder eingeführt werden. Das war beispielsweise während der Euro ’08 der Fall.

Mit dem Schengener-Abkommen entfallen die Personenkontrollen an der Schweizer Aussengrenze, weil diese izur Binnengrenze im Schengen-Raum wird. Wie Eveline Widmer-Schlumpf, die zuständige Justizministerin, herausstreicht, ist das für das Tourismusland Schweiz von besonderer Bedeutung, selbst wenn die Umstellung zeit- und kostenintensiver war als vorgesehen. Einzig gegenüber Liechtenstein, das dem Abkommen nicht beigetreten ist, besteht eine Sonderregelung. An den Flughäfen tritten die Massnahmen des Abkommens am 29. März 2009 in Kraft. Die Warenkontrollen finden unverändert statt, denn zwischen der EU und der Schweiz gibt es keine Zollunion.

Die Schweizer Entscheidung
Die Schweiz ratifizierte das Abkommen am 16. Oktober 2004. In der Volksabstimmung vom 5. Juni 2005 stimmten 54,6 Prozent für den Beitritt zum Abkommen. Größte Unterstützung fand die Vorlage im Kanton Neuenburg (70,9 Prozent). Am klarsten dagegen votierte der Halbkanton Appenzell Innerrhoden (31,5). Von den Grenzkantonen lehnte das Tessin die Vorlage am stärksten ab (38,1 Prozent Zustimmung).

Die Vorbereitung der Volksabstimmung führte in der Schweiz zum üblichen Konflikt in EU-Fragen. Die SP, die CVP und die FDP befürworteten den Beitritt, die SVP als vierte Regierungspartei bekämpfte ihn. Die Nachanalyse zum Abstimmungsentscheid zeigte, dass die Anhängerschaften grossmehrheitlich entsprechend den Parteiparolen stimmten.

Mehr Unterstützung fand der Beitritt zum Schengen-Abkommen in den urbanen Zentren und in den oberen Schichten. In der französischsprachigen Schweiz fiel die Zustimmung generell noch etwas stärker aus. In der italienischsprachigen Schweiz, auf dem Land und in den unteren Schichten überwog die Ablehnung. Für die Annahme in der Volksabstimmung massgeblich war die mehrheitliche Zustimmung in den Mittelschichten.

Hinter den individuellen Entscheidungen waren Werte von Belang. Die Offenheit gegenüber dem Auslang bestimmte die Zustimmung, während die Unabhängigkeit der Schweiz von eben diesem Ausland für die Ablehnung massgeblich war. Wer modernen Werten nahesteht, Chancengleichheit unabhängig von nationaler Zugehörigkeit konzipiert sieht, war ebenfalls vermehrt auf der Ja-Seite. Traditionelle Wertvorstellungen, insbesondere die Ausrichtung an Ruhe&Ordnung führten zu einer verstärken Ablehnung.

Misstrauen gegenüber “Schengen” wird Christoph Blocher zum Verhängnis

Nicht zuletzt verlief die Polarisierung in der Schengen-Beitrittsfrage entlang des Regierungsvertrauens. Wo dieses überwog, teilte man die befürwortenden Argumente mehrheitlich. Wo indessen das Misstrauen überwog, folgte man den zentralen Botschaften der Opponenten.

Im Abstimmungskampf höchst umstritten war das Verhalten von Justizminister Bundesrat Christoph Blocher, der aus seiner persönlichen Ablehnung der Vorlage entgegen dem Kollegialprinzip öffentlich keinen Hehl machte und mitten im Abstimmungskampf bei der 60-Jahr-Feier zum Ende des 2. Weltkrieges die Bedeutung von Grenzen für die Existenz der Schweizer herausstrich.

Wie Trendanalysen der Meinungsbildung zeigten, lancierte er damit als verantwortlicher Minister die Nein-Kampagne. Seither ebbte aber auch die Kritik am Verhalten des SVP-Regierungsmitglieds nicht mehr ab, die am 12. Dezember 2007 schliesslich zu seiner Abwahl aus dem Bundesrat führte, worauf die SVP aus der Bundesregierung austrat.

Just ein Jahr später wurde das Schengener-Abkommen operativ in Kraft gesetzt. So symbolisch kann Politik auch sein.

Claude Longchamp